: Bayern treibt ÄrztInnen in die Flucht
■ Wegen der neuen Abtreibungsgesetze wollen ÄrztInnen ihre Praxen schließen
München (taz) – Wenn die bayerischen Sondergesetze zum Paragraphen 218 wirksam werden, wird Friedrich Stapf zum Großkunden der Bundesbahn. Denn der Arzt will sich den geplanten bayerischen Regelungen nicht unterwerfen und deshalb seine Abtreibungspraxis in München schließen: „Dann werde ich am Hauptbahnhof einen Raum mieten, meine Patientinnen dorthin bestellen und mit dem Zug zum Abbruch nach Wiesbaden, Stuttgart und Frankfurt begleiten.“
Stapf und sein Nürnberger Kollege Andreas Freudemann wollen Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einreichen. Unerträglich finden die beiden Ärzte, die in ihren Praxen über die Hälfte aller ambulanten Abtreibungen in Bayern vornehmen, die vorgesehene Regelung, nach der Ärzte in Bayern maximal 25 Prozent ihres Umsatzes mit Abtreibungen machen dürfen. „Diese Quote ist ein Berufsverbot für uns und bietet den Behörden die Möglichkeit zu permanenten, intensivsten Kontrollen“, kritisiert Freudemann.
So sollen die Ärzte den Behörden ihre Steuererklärungen und ihre Abrechnungsbelege für die Krankenkassen vorlegen oder die Bescheinigung eines Steuerberaters, daß die 25-Prozent-Quote nicht überschritten wird. Die Kontrollbehörden dürfen Wohnungen und Praxen der Ärzte betreten – wann immer sie wollen, wenn es um die „Verhütung dringender Gefahren für Leben oder Gesundheit Dritter“, also der Embryos, geht. Das Gesetz sagt: „Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wird insoweit eingeschränkt.“ Auch einige der etwa dreißig GynäkologInnen, die in ihren Praxen nur wenige Abtreibungen machen und unter der 25-Prozent-Quote bleiben, überlegen, ob sie ihre Praxen verlegen. Der Pro- Familia-Geschäftsführer Friedrich Hosemann warnt deshalb:„In Bayern gibt es ohnehin kaum Ärzte, die Abbrüche vornehmen; mit dem neuen Gesetz werden es noch weniger. Und das schafft den Abtreibungstourismus, vor dem wir aus medizinischen und sozialen Gründen warnen.“ Felix Berth
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