: Und dann hat sie gar nicht erst gebohrt
■ Werden Patienten mit ansteckenden Krankheiten von Zahnärzten nicht behandelt?
„Ich bin wie eine Aussätzige behandelt worden“, schrieb Elisabeth S. nach einem Zahnarztbesuch in einem Beschwerdebrief an die Zahnärztekammer. PatientInnen wie sie dürften erst am Ende eines Sprechtages behandelt werden, da die Praxis danach desinfiziert werden muß, hatte man der mit Hepatitis-C infizierten Frau erklärt. Sie solle nicht beleidigt sein, aber so seien die Bestimmungen.
Die Zahnärztin einer Gemeinschaftspraxis in Ottensen habe es sogar ganz abgelehnt, Elisabeth S. zu behandeln, aus Angst vor einer Ansteckung, erinnert sich die Patientin. Dennoch hätte sie eine Röntgenaufnahme anfertigen lassen. Wohl nur, um diese doch noch bei der Krankenkasse abrechnen zu können, mutmaßt Elisabeth S.
Die Zahnärztin bestreitet dies auf Anfrage der taz. Die Patientin habe einen Behandlungstermin bekommen, läßt sie durch die Sprechstundenhilfe ausrichten. Und wie bei jedem ersten Behandlungstermin sei ein Röntgenbild angefertigt worden. Abgelehnt habe sie die Behandlung, weil sie hochschwanger und jederzeit mit der Niederkunft zu rechnen sei, so daß sie die Behandlung nicht hätte fortsetzen können.
Eine Ablehnung sei „völlig unbegründet“, normale Hygienestandards würden ausreichen, erklärt Gerd Eisentraut, Pressesprecher der Hamburger Zahnärztekammer. Bisher ging man davon aus, daß durch den Spraynebel, der beim wassergekühlten Bohren entsteht, auch Blut und Speichel in der Praxis verbreitet werden könnten. Wenn sich dieser aber „über Nacht setzen“ könne, bestehe kein Gesundheitsrisiko. Mittlerweile gebe es zwar neue Erkenntnisse über Ansteckungsgefahren. Weil sich diese aber noch nicht in der Fachwelt durchgesetzt hätten, halte die Zahnärztekammer lieber an ihren rigiden Empfehlungen fest als später regreßpflichtig zu werden.
Die diskriminierenden Folgen oder Mißverständnisse, die dadurch – wie bei Elisabeth S. – auftreten können, würden in Beschwerden bei der Kammer immer wieder deutlich. Meist, so Eisentraut, seien dies aber pauschale Vorwürfe, so daß keine konkreten Schritte eingeleitet werden können.
Im Fall von Elisabeth S. wurde die Zahnärztin um eine schriftliche Erklärung gebeten. Fällt die Begründung nicht plausibel aus, wird eine Anhörung stattfinden. Danach werde entschieden, ob die Zahnärztin richtig gehandelt hat, ob eine Ermahnung notwendig oder eine Geldbuße fällig ist oder ob die Angelegenheit gar an ein Berufsgericht überwiesen wird.
Was die Kammer letztlich gegen die Zahnärztin unternimmt, wird die Patientin aber nie erfahren. „Datenschutz“, nennt Eisentraut als Begründung. Patricia Faller
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