: 30 Tonnen Bombenstoff suchen Asyl
■ In der stillgelegten Hanauer Atomfabrik lagert weit mehr Plutonium als von Siemens offiziell angegeben. Die Entsorgung des radioaktiven Stoffs ist noch ungeklärt – geht das Material per Bahn nach Frankreich?
Frankfurt/Main (taz) – Siemens geht in seiner Hanauer Brennelementefabrik mit Plutoniummengen um wie sonst nur Atommächte – alles bleibt geheim. Mit einer der taz vorliegenden Berechnung wird nun erstmals exakt bekannt, wieviel wirklich in der stillgelegten Hanauer Anlage lagert: weit größere Mengen Plutonium als bisher angenommen und mehr auch, als Siemens in einem Antrag bei den Genehmigungsbehörden angegeben hat.
Im Genehmigungsantrag für die erste Abrißphase der stillgelegten Atomfabrik hat der Konzern den Umgang mit 2.400 Kilogramm Plutonium beantragt. Allein die Brennelemente aus Uran-Plutonium- Mischoxid (MOX) ergeben nach der internen Siemens-Berechnung aber 2.268 Kilogramm Plutonium. Dazu kommen noch 3.000 Kilogramm MOX-Pellets, über 9.000 Kilogramm plutoniumhaltiges Pulver und gut hundert Kilogramm Lösungen. Der Anteil an Plutonium im MOX-Pulver liegt bei einigen Prozent.
Das hessische Umweltministerium ist die zugehörige Genehmigungsbehörde. Zu den Mengenangaben von Siemens kann es allerdings noch nichts sagen, weil man sich noch in der „Prüfphase“ befinde, so ein Ministeriumssprecher zur taz.
Umweltschützer monieren außerdem, daß eine exakt aufgelistete Mengenbilanz der einzelnen Nuklide in ihrer festen, flüssigen oder gasförmigen Form im Antrag fehle. Unklar sei ferner, wohin die rund 30.000 Kilogramm Plutonium und Uran dann verbracht werden könnten, schließlich gebe es kein Endlager, so Eduard Bernhard vom BBU. Bernhard: „Soll das Zeug dann nach Gorleben geschafft oder ins Ausland verkauft werden? Oder soll alles zunächst einmal in den ohnehin schon überfüllten Hanauer Bundesbunker gebracht werden?“
Siemenssprecher Rainer Jend erklärte dazu der taz, die Endlagerung sei nicht Angelegenheit des Konzerns, da die radioaktiven Stoffe „nur formal“ im Besitz von Siemens seien, tatsächlich aber den Energieversorgungsunternehmen (EVU) und Euratom gehörten. Siemens selbst verfüge nur über eine Umgangsgenehmigung. Nach seinen Informationen, so Jend weiter, gebe es aber schon Verhandlungen mit „ausländischen Abnehmern“, etwa in Frankreich. Sollten diese Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden, werde Siemens das Material für den Transport mit der Bahn bereitstellen.
Klaus-Peter Klingelschmitt Seite 7
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