Ambulanz auf zwei Rädern im Einsatz

■ Pflegedienst steigt aufs Fahrrad um/Mobile Krankenschwestern treten in die Pedale

Familienpflegerin Svea Hansen mag ihren Job, nur der „ausgejuckelte“ Fiat Panda ging ihr auf die Nerven: Die Karre vom Pflegedienst, mit der sie täglich von Patient zu Patient fuhr, hupte einfach nicht. Auch der Rückwärtsgang ruckelte. Im Stau stand sie sowieso jeden Morgen. Gemütlich steigt Svea jetzt morgens aufs Trekking-Rad und besucht ihre „alten Ladies“ in der Neustadt. Denn der Pflegedienst „AKS“ in der Neustadt, Sveas neuer Arbeitgeber, geht seit sechs Wochen per Rad auf Pflegeeinsatz.

Acht Diensträder stehen seit sechs Wochen in der Osterstraße bereit. „Super-Räder“ findet die autogeplagte Svea, die schon seit Jahren privat aufs Radfahren schwört. Daß sie jetzt auch bei der Arbeit mit dem geliebten Drahtesel unterwegs sein kann, ist für die 31jährige eine „Prima-Sache“. Um 15 Uhr geht die gelernte Haus- und Familienpflegerin täglich aus dem Haus, schwingt sich aufs Rad und steuert Findorff an. Dort zieht sie einer pflegebedürftigen Findorfferin die Gummistrümpfe aus, wickelt und cremt die kranken Beine, und weiter geht's zum nächsten Patienten in die Neustadt. „Auf grünen Schleichwegen“ tritt die Hauspflegerin in die Pedale, damit sie ihre „alten Ladies“ noch pünktlich erreicht. Blutzucker-Kontrolle in der Rheinstraße, Blutdruck-Test in der Pappelstraße und dann zum Medikamenten-Abliefern Richtung Weser. Wenn wirklich mal Tropfen fallen, „plünnt“ sie einfach ihre Regenjacke an und weiter geht's.

AKS-Geschäftsführer Ronald Meißner kann sich über soviel körperlichen Einsatz freuen. Vor sechs Wochen schaffte er acht nagelneue Trekkingräder für seine zwanzig KrankenpflegerInnen an. Sie betreuen rund 50 ältere Patienten, die nach einem längeren Krankenhausaufenthalt zuhause versorgt werden müssen. Über 150.000 Kilometer kamen in einem Jahr mit den Dienstautos zusammen. „Zuviel“, befand der studierte Umwelttechniker und ging in den Fahrradladen. „Der Umweltaspekt stand für mich aber an erster Stelle“, erklärt Meißner, der vor seinem Geschäftsführerdasein als Umweltberater im Krankenhaus Ost arbeitete. „Sehr schwer“ war es dort, der Krankenhausleitung auch nur ansatzweise den Mehrweggedanken beim Klinikgeschirr näherzubringen. Jetzt sei er sein eigener Herr und könne den Arbeitsalltag beim AKS nach seinen Ideen ökologisch gestalten. Nicht nur die Trekkingräder sind auf seinem Mist gewachsen, vom Kugelschreiber aus recycleter Altpappe bis zum Vollspektrum-Lichtstrahler zeigt sich das AKS-Büro von seiner ökologischten Seite.

Auf die zehn geleasten Autos könne Meißner nicht ganz verzichten. „Wir haben auch Patienten in Borgfeld oder Oyten“, klagt er. Deshalb hat der umweltbewußte Ingenieur auch da alle ökologischen Register gezogen: Die Blechkisten sind laut Umweltliste des deutschen Verkehrsclubs die „umweltfreundlichsten Kleinwagen“. Damit sich die 20 KrankenpflegerInnen nicht völlig den Po wund radeln, hat Meißner sämtliche Touren neu gelegt. „Jetzt fährt jede Pflegerin vor allem in einem Stadtteil durch die Gegend“, sagt der Geschäftsführer. Die sechswöchige Probephase hat gezeigt: Die radelnden PflegerInnen sind nicht länger unterwegs als ihre autofahrenden KollegInnen.

Während die radbegeisterte Svea auch gerne mal bis zu 60 Kilometer abstrampelt, setzt sich Pflegerin Silvana Zimmermann doch lieber ins Auto. „Nein“, gegen das Radfahren hat sie nichts, schließlich steht auch ein Fahrrad bei ihr zuhause. „Aber manche Strecken sind mir doch zu weit“, gesteht Silvana. Auch wenn Kollegin Svea vom guten „Fitneßeffekt“ schwärmt, bleibt Silvana gelassen. „Sehr schwierig“, findet Geschäftsführer Meißner, daß sich nicht alle MitarbeiterInnen von seinem ökologischen Sendungsbewußtsein anstecken lassen. Im AKS stehen „die RadfahrerInnen“ auf der einen, „die „AutofahrerInnen“ auf der anderen Seite. „Wie in der Gesellschaft auch“, findet Meißner. Sein Engagement in Sachen Umweltschutz bleibt ungetrübt. Begeistert blättert er in einem Solarmobil-Katalog: 35.000 Mark will er in Leasing-Raten für das Solarauto „Hotzenblitz“ in nächster Zukunft ausgeben. „Nur so können wir ein Vorreiterrolle spielen“ und zeigen, „daß es auch anders geht“.

Mit Sorge sieht er jedoch der Parkplatzsuche entgegen. Als die fünf Fahrradständer vor dem Hause aufgestellt wurden, hagelte es massiven Prostest aus der Nachbarschaft. Für die Radstellfläche mußten zwei Parkplätze weichen. Ärgerlich schaut Meißner die Osterstraße hinunter: Dort hinten am Buntentorsteinweg habe das Stadtamt der Auto-Lobby drei neue Ersatzparkplätze zugeschanzt. „Da sieht man mal, wie weit wir noch von unserem Ziel entfernt sind“, resümiert AKS-Geschäftsführer Meißner.

Katja Ubben