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Faltenlose Tomate bedroht Artgenossen

UNO-Konferenz verhandelt über biologische Sicherheit. Greenpeace belegt die Gefahr von Züchtungen in Entwicklungsländern und fordert ein Moratorium für Freisetzungsversuche  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Es geht um den internationalen Handel mit gentechnisch veränderten Organismen: Seit gestern ringen im dänischen Aarhus Hunderte von Delegierten um die Worte für ein völkerrechtlich verbindliches Protokoll. In spätestens zwei Jahren soll das Papier unterschriftsreif sein. Die heute gängige Praxis internationaler Firmen, ihre gentechnisch manipulierten Pflanzen in Entwicklungsländer auf die Äcker zu bringen, könnte dann offiziell verboten sein. Doch sowohl multinationale Konzerne als auch eine Reihe von Industrienationen leisten massiven Widerstand. Kein Wunder: Sie profitieren von der nicht vorhandenen Behördenaufsicht vieler Entwicklungsländer.

Wie kurzsichtig und unverantwortlich dieser Umgang ist, macht Greenpeace mit einem gestern veröffentlichten Bericht deutlich. Ausgerechnet in den genetisch reichen Ländern Mittelamerikas führen die Firmen Monsanto und Asgrow Tests mit manipulierten Sojabohnen, Tomaten, Baumwoll- und Maispflanzen durch. So züchtet Asgrow in Guatemala in Lizenz die von der US-Firma Calgene entwickelte Antimatsch-Tomate Flavr Savr, bei der zwei Gene verändert wurden. Die Gewächshäuser sind völlig ungesichert, haben die UmweltschützerInnen beobachtet. Oft stehen die Türen offen, so daß Insekten oder Vögel die manipulierten Samen weitertragen könnten.

Und dabei ist gerade in tropischen Ländern die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß es zu Befruchtungen einer Art durch eine andere kommen kann. In Guatemala gibt es außerdem viele Tomatensorten, die eng mit der Flavr Savr verwandt sind. „Das Risiko einer genetischen Verschmutzung der vor Ort kultivierten Tomaten kann dazu führen, daß diese zunehmend aussterben“, schreibt Greenpeace. Denn die Fähigkeit der Tomate aus dem Genlabor, wesentlich langsamer zu faulen als andere, könnte ein entscheidender Überlebensvorteil sein und andere Sorten verdrängen. Möglicherweise sterben mit den traditionellen Tomaten komplett davon abhängige Biosysteme aus. Ein Verschwinden der traditionellen Tomaten wäre für die Bauern vor Ort fatal, da sie dann von Samenimporten abhängig würden. Langfristig könnte sich diese Politik aber auch für die Zuchtkonzerne als existenzbedrohend herausstellen: Denn die traditionellen Tomaten haben möglicherweise Widerstandskräfte gegen Krankheiten, von denen WissenschaftlerInnen heute noch nichts wissen. Greenpeace fordert daher ein vorläufiges Verbot für alle Freisetzungsversuche, bis ein international verbindliches Protokoll zur „biologischen Sicherheit“ vorliegt.

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