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Meine Toilette zeigt nicht nach Mekka

■ In Köln-Volkhoven ist der erste „multikulturelle Wohnpark“ entstanden

Blauweiß gestreift wie der Dom zu Siena, mit kanariengelben Markisen und knallroter Kunst-am- Bau: So niedlich präsentiert sich das, wie es etwas großspurig heißt, „1. internationale Wohnkonzept“ in Köln-Volkhoven.

Die postmoderne Putzigkeit wirkt doppelt vor der tristen Skyline von Köln-Chorweiler, einer Trabantenstadt mit den üblichen Vorstadtproblemen: Hier herrschen eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit und eine hohe Kriminalitätsrate.

Migranten und Deutsche sollten, so die engagierte Grundidee der Initiatoren, kostengünstige Eigentumswohnungen im „multikulturellen Wohnpark“ angeboten werden. Und wirklich liegen heute die monatlichen Ratenzahlungen der Bewohner beneidenswert deutlich unter dem sonst gängigen Kölner Mietniveau: Für eine 61-Quadratmeter-Wohnung zahlt man nur traumhafte 750 Mark monatlich. Dieses Kunststück wäre kaum gelungen ohne die öffentlichen Mittel zur Eigentumsförderung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus – auch wenn Geschäftsführer Wolfgang Pach markig erklärt, getreu der Unternehmerparole „Belaste nicht den Staat, handle selbst“ vorgegangen zu sein.

Die hilflosen Werbeslogans in den Tageszeitungen („Köln grüßt die Welt“) blieben lange erfolglos. Ausländern mußten die Wohnungen wie Sauerbier angeboten werden, so daß der Wohnpark beinahe eine rein deutsche Monokultur beherbergt hätte. Hauptgrund war ironischerweise der Umstand, den die Planer für besonders integrationsfördernd gehalten hatten, nämlich der Wohnungskauf und die 30jährige Finanzierungslaufzeit.

Der Migrantenanteil liegt jetzt immer noch bei mageren 35 Prozent – im benachbarten Chorweiler sind es auch ohne multikulturelles Wohnkonzept 51 Prozent. Hieran sind vielleicht auch die reichlich dubiosen Aufnahmekriterien „Integrationswille“ und „Integrationsfähigkeit“ schuld, die man, so erklärt Pach treuherzig, von Fall zu Fall „nach Gespür“ festgestellt haben wollte – oder eben auch nicht.

Das anspruchsvolle Konzept, nach dem sich die Architektur nach den kulturell unterschiedlich geprägten Wohnbedürfnissen der Menschen zu richten habe, wurde in Volkhoven weitestgehend ignoriert. Kuriose Ausnahme ist, daß die Toiletten mit Rücksicht auf strenggläubige Muslime nicht nach Mekka ausgerichtet worden sind. Die meisten der Wohnungen wurden für die mitteleuropäische Kleinfamilie konzipiert. Die Spielmöglichkeiten des multikulturellen Nachwuchses beschränken sich auf ein liebloses Klettergerüst mit Rutsche, ein schöner, blanker Wasserspiegel lädt zwar zum Meditieren ein, Planschen ist aber verboten. Mehr Einfühlungsvermögen hatte der Architekt in die Bedürfnisse der Erwachsenen: Ein Gemeinschaftsraum hat Platz genug für ganze Wohnparkparties. Besonderen Wert wurde auch auf den Ausbau der Infrastruktur gelegt. Dabei entwickelt sich nicht alles nach dem Sinne der Erfinder: Anstelle des geplanten Cafés konnte sich nur das Flamingo-Sun- Sonnenstudio als gutbesuchte interkulturelle Begegnungsstätte etablieren.

Nicht nur hier ging die gutwillige Planung der Initiatoren nicht ganz auf, die der Meinung waren, die Bewohner hätten sich beim Kauf bewußt für die multinationale Nachbarschaft entschieden. Freimütig erklärt etwa Susanne T., sie sei wegen des niedrigen Kaufpreises nach Volkhoven gezogen, das Wohnkonzept habe sie nur am Rande interessiert. Man lebe, so der Tenor der Bewohner, eigentlich „ganz normal“ miteinander. Die Verwirklichung welcher interkulturellen Sozialutopie hätten die Bewohner dem Rest der Welt denn auch vorleben sollen?

Es gebe, so Wolfgang Pach, bisher keine Probleme ethnischer Art im Wohnpark: „Wenn es denn mal eine Auseinandersetzung gibt, dann höchstens um die Frage der Markisen.“ Das kann, um es bösartig zu formulieren, auch daran liegen, daß die Bewohner im allgemeinen keine schwerwiegenden Sorgen haben: Zwar ist die Sozialstruktur bunt gemischt, doch sucht man nach sozialen „Problemfällen“ umsonst – nicht zuletzt wegen der Auflage an die künftigen Anwohner, Eigenkapital von mindestens 15 Prozent mitzubringen. Der Wohnpark stellt so, gerade vor der Kulisse von Köln-Chorweiler, eine Disneyland-Oase dar, in der sozialer Sprengstoff weitgehend fehlt. Elke Thiele

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