Dokumentation
: Nicht nur trivial, auch noch faschistoid!

■ Darf man Konsalik-Verfilmungen fördern? Offener Brief von Hans Vetter, Leiter der Filmförderungskommission NRW

Schon einige Wochen ist es her, daß sich die Filmstiftung NRW entschlossen hatte, die Produktion von vier Drehbüchern zu fördern, die auf Vorlagen von H.G. Konsalik beruhen. „Dr. Berg“, „Eine Sünde zuviel“, „Mayday“, „Der schwarze Mandarin“ und „Rostiger Ruhm“ sind die Romantitel; mit der Verfilmung von „Dr. Berg“ wurde bereits begonnen. Die jeweils eine Million Mark Förderung stammen aus Gebührenmitteln des WDR, der als Gesellschafter der Filmstiftung Projekte fördert, für die er Senderechte bekommt. Der Kölner Jugendbuchautor und Stadtschreiber Wolfgang Bittner, stellvertretender Landesvorsitzender des Schriftstellerverbandes NRW und Mitglied des Rundfunkrates, hatte daraufhin der Filmstiftung vorgeworfen, „triviale, frauenfeindliche und faschistoide Stoffe“ zu fördern. Bittner und Konsalik publizieren im selben Verlag (Heyne); Konsalik mit einer Auflage von weltweit über 75 Millionen, die Auflage von Bittners Werken ist nicht bekannt.

Eine Filmförderungskommission hat nicht darüber zu befinden, ob der Autor einer Drehbuchvorlage Affinitäten zu linken oder rechten Ideologien hat. Sie hat zu beurteilen, ob die eingereichten Projektanträge Attraktivität und Substantialität für die Massenmedien Kino und Fernsehen [besitzen], dialogische und visuelle Professionalität des Drehbuchs, Besetzungsabsichten (Casting), Finanzierungs- und Auswertungskonzepte (national und international) und so weiter.

Die gesamtdeutsche Öffentlichkeit kann davon ausgehen, daß die Regeln einer demokratisch verfaßten Gesellschaft wie der bundesdeutschen, ja, daß die bindenden Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland und die des Landes Nordrhein-Westfalen in den Köpfen und Entscheidungsprozessen der Mitarbeiter und Gremienmitglieder der Filmstiftung NRW auf eine Weise präsent sind, daß auch nur der geringste Verdacht, ein Mitglied oder Mitarbeiter ließe sich politisch-ideologisch „unterwandern“ oder ihm fehle das erkenntniskritische Rüstzeug für das Erkennen derartiger Versuche, als willentlich bösartige Unterstellung qualifiziert werden kann.

Zur Sache. In einer Meldung des Kölner Stadtanzeigers vom 26.06. 1996 mit der Überschrift: „NRW-Filmstiftung fördert Konsalik“ wird der „Kölner Schriftsteller“ Wolfgang Bittner zitiert, der die Entscheidung der Filmförderungskommission, die Verfilmung von vier Romanen des „Beststellerautors H.G. Konsalik“ mit der Gesamtsumme von vier Millionen zu fördern, als „skandalös“ bewertet.

Das behauptete Skandalon besteht für das „stellvertretende WDR-Rundfunkratsmitglied“ darin, daß die Kommission einen Autor fördert, den Bittner „nicht nur für trivial, sondern auch für faschistoid“ hält. Über die Kategorie der Trivialität ließe sich – semantisch, literaturhistorisch und literaturkritisch, des weiteren filmkritisch und filmhistorisch – trefflich streiten. Daß die Kategorie des Trivialen in der Tradition der bürgerlichen Literaturkritik hierzulande immer schon als verächtlich machendes Discount- Kriterium mißbraucht worden ist, läßt sich von den Zeiten der Weimarer Klassik bis in die unmittelbare Gegenwart verfolgen. Was aber, wenn ein Autor „nicht nur als trivial, sondern auch für faschistoid“ einsortiert und damit moralisch gebrandmarkt wird? Die Formel: „Nicht nur, sondern auch“ stellt eine um die Kategorie des Inhumanen, der Menschenverachtung und des Totalitären gesteigerte Form des Verdikts dar.

Für die Entscheidung der Filmförderungskommission ist festzustellen: In den vorgelegten Drehbuchfassungen nach Romanen von H.G. Konsalik sind zwar, zugegeben, Momente des Trivialen enthalten (das heißt: in der Abbildlichkeit von lebensgeschichtlich nachzuvollziehenden Ereignissen und Konflikten auf der Ebene der jeweiligen Storyline). Von der von Bittner behaupteten Tendenz des „Faschistoiden“ ist im vorliegenden Fall der vier Drehbücher auch nicht ein einziges Spurenelement zu entdecken, geschweige denn sinnfällig zu belegen.

Aufgabe der Filmförderungskommission der Filmstiftung NRW ist es nicht, das fiktionale und publizistische Gesamtwerk des „Bestsellerautors“ H.G. Konsalik auf mögliche ideologisch bedenkliche Spurenelemente zu überprüfen und zu bewerten. Das wäre wohl in erster Linie die Aufgabe einer aufklärerisch operierenden kritischen Publizistik und Literaturkritik beziehungsweise Literatursoziologie, wenn diese, ja, wenn diese sich dazu entschließen könnten, dem Phänomen von „Bestsellerautoren“ und deren Rezeptionsweisen ein größeres Augenmerk zu widmen.

Nachbemerkung: Wo liegt im vorliegenden Fall das Problem? Das Problem liegt offensichtlich darin, daß der zum Totschlagargument mutierte Wortbegriff „faschistoid“, dessen inflationärer, unreflektierter Gebrauch letztlich nur dazu dienen kann, die Ohnmacht und/oder die totale Abwesenheit eines eigenständigen Denkens und Argumentierens zu verschleiern, Öffentlichkeit emotional beeinflussen und mobilisieren soll.

Wer läßt sich schon gern – vor dem Hintergrund einer historischen Schuldlast und der auch in einer offenen Gesellschaft erforderlichen Wachsamkeit, ja, des immer wieder einzufordernden Argwohns gegenüber allen Formen und Erscheinungen politisch und religiös motivierter Rassismen – mit einem Autor ein, dem das Stigma „faschistoid“ als negativen Markenzeichen aufgebrannt wird? Absurd der Vorwurf oder die Vorstellung, die Filmstiftung NRW beziehungsweise deren Förderungskommission fördere Film- und TV-Projekte, die tendenziell oder in der Konstellation der Figuren, Geschichten, Handlungsabläufe, Realisatoren und Produzenten „faschistoiden“ Botschaften und Ideen Vorschub leisteten.

Von einem Herrn Bittner, der sich selbst als „Schriftsteller“ bezeichnet, wäre als „Schriftsteller“ – selbst in der militanten ideologischen Gegnerschaft zu einem anderen Autor – ein behutsamerer Gebrauch von stigmatisierenden Adjektiven zu erwarten, die wortgeschichtlich mit einem diffusen Bedeutungswust dermaßen beladen und belastet sind, daß sich ihr Gebrauch nicht zuletzt auch aus Gründen aufklärender Analyse und intellektueller Redlichkeit verbieten sollte.

Hans Vetter

Der Text wurde von der Redaktion leicht gekürzt.