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UN-Protest gegen Massendeportation

■ Die von Tutsi dominierten Armeen von Burundi und Ruanda kooperieren bei der Auslieferung ruandischer Hutu-Flüchtlinge aus Burundi. Die UNO protestiert, beschließt aber noch keine Intervention

Bujumbura (dpa/AFP/taz) – Trotz internationaler Proteste forcieren die von Tutsi beherrschten Streitkräfte Burundis und Ruandas die Deportation von ruandischen Hutu-Flüchtlingen aus Burundi. Auf Lastwagen und in Containern zusammengepfercht wurden gestern erneut mehrere tausend Menschen aus dem Nordwesten Burundis in ein völlig überfülltes Transitlager nahe der Ortschaft Butare im Süden Ruandas gebracht. Mindestens drei Flüchtlinge, darunter ein Baby und ein alter Mann, kamen dabei nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR durch Erstickung ums Leben. Die Menschen würden „wie Ölsardinen zusammengequetscht“, sagte UNHCR-Sprecher Paul Stromberg. Mehr als 10.000 Hutu sind nach Schätzungen von Hilfsorganisationen aus ihren Lagern in unwirtliche Bergwälder geflohen, um sich der Zwangsrückführung zu entziehen.

Mit den am Freitag begonnenen Vertreibungen sollen nach Einschätzung des UNHCR alle rund 85.000 ruandischen Hutu aus Burundi deportiert werden. Sie waren 1994 nach Burundi geflohen, als in Ruanda die Tutsi-Guerillabewegung „Ruandische Patriotische Front“ (RPF) die Macht übernommen hatte; zuvor hatte das von Hutu dominierte Vorgängerregime in Ruanda Hunderttausende Tutsi und moderate Hutu umbringen lassen. Nun kooperiert Ruandas RPF-Armee, die ihre Legitimität auf das Erlebnis des Völkermordes stützt, mit der Tutsi-Armee von Burundi, die jahrzehntelang diktatorisch herrschte und heute unter Verweis auf das Schicksal der Tutsi in Ruanda ihre Privilegien mit Gewalt gegen die Hutu-Mehrheit zu verteidigen versucht. Schon seit Wochen berichten Burundis Hutu-Rebellen, daß im burundischen Bürgerkrieg ruandische Soldaten auf Seiten der Armee eingreifen würden.

Als Grund für die Vertreibungen der ruandischen Hutu-Flüchtlinge gibt Burundis Militär an, daß die Flüchtlinge die Hutu-Rebellen unterstützt hätten, die für ein Massaker an mehreren hundert Tutsi- Zivilisten am vergangenen Samstag verantwortlich seien. Der staatliche Rundfunk in Ruanda behauptet wiederum, alle Flüchtlinge würden „freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren“. Die Vertreibung erfolgt im Rahmen eines größeren Armeevorstoßes in den Nordwesten Burundis, wo die Hutu-Rebellen am aktivsten sind. Die Opfer des Massakers vom Samstag wurden gestern in einem Massengrab feierlich beerdigt.

UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali appellierte unterdessen erneut an den Sicherheitsrat, Maßnahmen zu ergreifen, um eine „ethnische Katastrophe“ in Burundi zu verhindern. UN-Menschenrechtskommissar José Ayala Lasso sprach sich für die Verstärkung der UN-Menschenrechtsbeobachter in Burundi von 5 auf 35 aus. Unklar bleibt, ob sich der UN- Sicherheitsrat für eine von mehreren afrikanischen Staaten geplante und von den USA unterstützte Militärintervention in Burundi aussprechen wird, nachdem diese Überlegungen offensichtlich die dortigen Spannungen angeheizt haben. In US-Diplomatenkreisen hieß es, nach den jüngsten Ereignissen sei eine Bedenkzeit erforderlich. D.J.

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