piwik no script img

Der taz-Sommerroman: "Dumm gelaufen" - Teil 10

Außerdem hat das rechte Pack nicht ein Haar auf der Leiche hinterlassen, darum haben wir es wohl mit Glatzen, den Skinheads oder nennen Sie sie einfach Hooligans zu tun! Würden Sie das bitte wiederholen, Herr Arzt!? bettelte der Reporter, auf der Jagd nach dem Unglaublichen, und steckte dem Arzt ein Mikrophon in den Mund. Selbstverständlich! Ja! Alle Wunden haben eine Geschichte, ich möchte sogar behaupten eine eigene Sprache, die wir nicht nur physiologisch, sondern auch psychologisch zu verstehen haben! stolzte der Arzt. Außerdem hat das rechte Pack nicht ein Haar auf der Leiche hinterlassen, darum haben wir es wohl mit ,Glatzen, den Skinheads oder nennen Sie sie einfach Hooligans zu tun! Danke! dankte der Reporter. Braune Wunden!? klugte der Bulle auf. Selbstverständlich! Sie sind alle Zeichen unseres Informationszeitalters. Sehen Sie, in den Medien verschwimmen für junge Leute Nachrichten und Fiktionen, Wirklichkeit und Möglichkeit, Gut und Böse, Recht und Unrecht, Wahrheit und manipulierte Meinung zu einer undurchschaubaren Sinnflut. Sie wissen einfach nicht mehr, was sie tun sollen, und das zeugt Gewalt. Sie nennen das Spiel: Rentner-Klatschen.

Der Arzt zeigte auf das tote Gesellschaftsspiel Herbert, von 8-80 Jahren. In jedem gut geführten Altersheim erhältlich. Wo sind nur Old Shatterhand und der letzte Mohikaner geblieben? erinnerte sich das Kind in dem Bullen. Einen Bruchteil lang wärmte das Kind den letzten Mohikaner aus den Kiesgruben Bramfelds in ihm auf: Pfeile in Froschaugen stecken, Katzen mit dem Bleistift ficken und mit einem Katschi Tauben abschießen; aber das war alles nur ein harmloses Spiel von Kindern gewesen. Und das Motiv. Wo bleibt da das Motiv? Langeweile! sagte der Arzt. Langeweile? Langeweile!!? unterbrach der Reporter das Gespräch. Meine Damen und Herren. Leider ist meine Sendezeit vorbei. Wer war, wer ist und wer wird der Mörder von Herbert Schmackes sein!? Daß werden Sie erst auf den nächsten Seiten erfahren. Ich bedanke mich bei der Meute am Schauplatz des Verbrechens fürs Mitmachen. Und natürlich bei Ihnen zu Hause an den Seiten fürs Mitlesen. Die Studenten Schmock und Veddel wurden eingekleidet vom Deutschen Roten Kreuz. Der Arzt und der Bulle ausgestattet vom Kostümverleih Maskerade! Und schlagen Sie jetzt ruhig Seite achtunddreißig auf. Kapitel acht. Zur gleichen Zeit. Am selben Ort. In Ihrem Buch. Wo es immer noch heißt: Wer war, wer ist und wer wird der Mörder von Herbert Schmackes sein. Ich zähle auf Sie! Viel Spaß dabei. Und auf Wiedersehen. Ach, übrigens. Fast hätte ich es vor lauter Mord- und Totschlag vergessen. Mein bester Freund und mein bester Mitarbeiter ist ein Türke. Seine Name ist Günar Kemal, und er arbeitet seit Jahren in Deutschland als Fotograf in unserem Magazin. Aufwiedersehen!

Das Schwein, das Schwein, das Schwein

Ein kurzer Gedankensprung über die Langeweile, ein kurzer Satz über Organspenden und warum Kommissar Brook den Moment zwischen letzter U-Bahn und dem Verbrechen braucht

Langeweile, dachte Brook. Dann hätte Brook selbst der Täter sein können; so sehr gähnte, langweilte sein Leben in Richtung Zukunft: Mörder, Kommissare, the same procedure as every year. Das machte doch alles keinen Sinn. Der Tod hatte mit Brook noch nichts am Hut. Er ließ leider immer wieder auf sich warten. Trotzdem langsamte Brook sein Leben aus. Die Meute folgte dem Bullen in der Hoffnung auf eine frische Leiche. Der Reporter siebenmeilte auf und davon, um in der Redaktion zu schlagzeilen. Der Arzt wünschte sich die Niere oder die Leber, vielleicht das Herz von Herbert. Schließlich hatte er den Ausweis zur Entnahme und Entsorgung von Organen in Herberts Taschen gefunden.

(Fortsetzung folgt)

Copyright Achilla Presse, Bremen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen