■ Querspalte: Jugo, komm nicht wieder!
Um in Deutschland Innenminister zu werden, muß man eine Prüfung ablegen. Die Disziplinen heißen Vaterländerei, rassistischer Dünkel, Grausamkeit, Indolenz gegenüber dem Leiden anderer und zweifelsfreies Funktionieren rund um die Uhr.
Günther Beckstein von der CSU hat die Prüfung mit Auszeichnung bestanden: Bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge will der bayerische Innenminister möglichst vor dem Abzug der US-Truppen nach Bosnien zurückabschieben. Nach deren Abzug, der für Jahresende geplant ist, sei nämlich der Ausbruch weiterer „Konflikte“ wahrscheinlich. Deshalb müsse die „Rückführung“ – so die offizielle Sprachregelung – der etwa 350.000 Flüchtlinge vorher vollzogen werden. „Ich bin davon überzeugt, daß wir nicht viel Zeit haben“, sagt Beckstein. Da weiß man, was mit „Standort Deutschland“ gemeint ist: Fristlos raus mit allem, was keine Miete zahlt.
Da man aber Humanist ist und nur äußerst ungern persönlich zum Massenmord schreitet, schickt man die unnützen Esser dahin, wo sie abgemetztelt oder verhungert werden: Jugo, komm nicht wieder. Anschließend macht man auf Pilatus, ringt sich telegen ein paar Tränen ab und fordert schäumend die Aburteilung von Kriegsverbrechern. Ich weiß nicht, wie der juristische Terminus lautet für Leute, die andere wissentlich und absichtlich in den Tod schicken. Auf Beckstein trifft er jedenfalls zu.
Es gab Zeiten, da redeten und handelten dieselben Figuren vorsichtiger und gemäßigter. Nicht, weil sie weniger kaltschnäuzig gewesen wären, sondern weil sie mußten. Es gab die Konkurrenz des Ostblocks, gegen den man freiheitlich-demokratisch und dufte aussehen wollte, und es gab, als eine Art persönliches Korrektiv für wild gewordene Politiker, die Bedrohung durch die RAF. Seit beides ersatzlos gestrichen ist, treten Leute wie Beckstein ganz unverblümt auf. Sie haben keine Angst mehr – um ihren Kopf nicht, und nicht einmal um ihr Amt. Wiglaf Droste
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