: Alles außer Dixieland
■ Seit zehn Jahren widmet sich Uli Balz der Weltmusik. Auf seinem Label „Jaro“-Musik tönt Finnisches neben Algerischem – z.B. zum Bremer Sommer
Was haben ein Kulturhistoriker auf den musikalischen Spuren der jüdisch-spanischen Sepharden und ein russischen Ethnologe mit einer Schwäche für Folk gemeinsam? Zumindest, daß sie beide ein Bremer Plattenlabel unter Vertrag hat: Die Jaro Medien GmbH in der Bismarckstraße bringt Menschen fast aller Regionen unter dem weiten Mantel der Musik zusammen.
Grob gesagt, geht es beim Bremer Plattenlabel Jaro um Weltmusik. Dennoch ist Uli Balz, der vor 15 Jahren mit dem Platten machen begann, mit diesem Etikett nicht ganz glücklich: „Wir machen alte Musik, Kammermusik, völlig freie Sachen. Da ist sicher auch das dabei, was gemeinhin als Weltmusik verstanden wird, aber das Spektrum ist eigentlich viel weiter.“
Tatsächlich: Der russische Ethnologe und Musiknarr Sergey Starostin lernte die vielfältigen russischen Volksmusiken durch aktives Musizieren gründlich kennen. Der Musikforscher, der danach seine Erkenntnisse wissenschaftlich auswertet, hat einen völig anderen künstlerischen Ansatz als der japanische High-Tech-Virtuose Toshinori Kondo oder die Kehlkopfsänger der „Bulgarian Voices Angelite“. Einfacher fällt es Balz zu definieren, was denn Jaro nicht macht: „Kein Metal, kein Dixieland und keine Opern.“
Seit einer Dekade sitzt der 42jährige nun in Bremen und betreibt sein Label mit professionellem Ernst. „Über hundert Platten kannst du nicht so nebenher produzieren“, meint Balz. Also machte er einen Beruf daraus. „Diese Geschichte mit der Weltmusik ist für mich wenigstens keine exotische Floskel. Ich lebe das, und es ist, wenigstens für mich, mehr als nur eine bunte Facette im Musikmarkt.“ Deshalb steht, anders als bei den großen Firmen, das Geschäft nicht an erster Stelle. „Aber“, so der Labelchef, „rechnen soll es sich schon. Das ist schließlich meine Verantwortung den Künstlern gegenüber. Ich geh' in meinen Bürozeiten nicht zwischendurch mal zum Biertrinken oder zum Unisee, weil mir danach ist.“
Dieser Hauch protestantischer Leistungsethik kommt den Künstlern nicht nur in Form der durchaus nicht immer branchenüblichen Gewinnbeteiligung zugute: Jaro gilt in der weiten Welt der Weltmusik als eines der rennomiertesten Labels. Jaro-Künstler wie der pakistanische Sänger Nusrat Fateh Ali Khan werden für Grammys nominiert. Schließlich verknüpft die hanseatische Plattenfirma auf einem gleichbleibend hohen Qualitätsstandard Erfolg und Innovation. Acts wie Jasper Van't Hofs Fusionsprojekt „Pili Pili“, das beim Verschmelzen von europäischem Jazz und afrikanischen Wurzeln sogar ab und an unabsichtlich Chart-Hits schaffte, stehen gleichberechtigt neben einer Band wie „Piirpauke“.
Die finnischen Weltmusiker verkaufen weniger, aber schrieben via Jaro Anfang der Achtziger Musikgeschichte. Indem sie auf ihren Reisen das Fremde als Inspiration und gleichwertigen Partner betrachteten und verarbeiteten, wurden sie Vorreiter für das, was später als Weltmusik zum bedeutenden Marktsegment für große Warenhäuser wurde.
Schon nach dem „Piirpauke“-Album, der ersten Jaro-Platte überhaupt, war für Balz die Marschroute klar. „Vor allem ist für mich Musik spannend, mit der Grenzen aufgebrochen werden. Ich mag keinen Mainstream, will keine repetitiven Sachen veröffentlichen.“ Und das führte Balz bei seiner Suche nach innovativem Stoff zwangsläufig von der Jugendliebe „Soft Machine“ um die ganze Welt - wenigstens telefonisch.
Doch weil zur ganzen Welt auch die nähere Umgebung gehört, darf das derzeitige Paradestück des Labels, die innovative Jazz-Funk-Formation „Charles“, die am 29.6. beim internationalen Bremer Sommer auftritt, ausnahmsweise auch mal aus einer wenig exotischen Region kommen: aus Wuppertal.
Lars Reppesgaard
Jaro-Musik beim Bremer Sommer:
Am Montag, den 29. Juli , gibt es Funk von den Labelzugpferden Charles & The C-Funk Agency (20 Uhr, Liebfrauenkirchhof).
Politisch engagierter Pop von Hamid Barudi ist am 1.8. an der Reihe 19.30 Uhr, Liebfrauenkirchhof).In Sachen algerischer Rai, Groove und Pop werden von Barudi, ehemaliger Kopf und Sänger der „Dissidenten“, gekonnt Akzente gesetzt.
Und am 2.8. ist die katalonische Flamenco-Sängerin Mayte Martin zu hören (21 Uhr, ebd.).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen