: Regiert überhaupt noch jemand im Bürgerkriegsland Burundi? Das Kabinett ist auseinandergefallen, der Präsident ist machtlos, hochrangige Politiker verlassen das Land. Aber die Armee dementiert jegliche Absicht zum Staatsstreich Von Dominic Johnson
Die Putschisten bleiben ohne Gesicht
Nicht einmal die einfachsten Fragen lassen sich derzeit in Burundi beantworten. Hat es einen Putsch gegeben? „Man weiß es nicht“, sagt ein westlicher Diplomat in der Hauptstadt Bujumbura. „Ja“, sagt ein Vertreter der Hutu- Rebellen, die gegen die Tutsi-dominierte Armee kämpfen. „Nein“, sagt die Armee selber. Und wer ist jetzt eigentlich in Burundi die Regierung? „Die Regierung ist aufgelöst“, sagt die Tutsi-dominierte Partei Uprona. „Es gibt keine“, sagt der Hutu-Rebellenvertreter. „De facto besteht sie noch“, sagt der westliche Diplomat. „Aber besonders handlungsfähig war sie vorher auch nicht.“
Einige Sachen sind schon klar. Staatspräsident Sylvestre Ntibantunganya sitzt in der US-Botschaft und sagt, er sei weiter im Amt. Jean Minani, Führer der Hutu-dominierten Partei Frodebu, zu der Ntibantunganya gehört, ist bereits im Exil in Kenia und wettert von dort gegen den „Militärputsch“. Weitere Frodebu-Politiker haben sich in ausländische Botschaften in Bujumbura geflüchtet: In der deutschen Botschaft sitzen zum Beispiel der Außenminister, der Parlamentspräsident und mehrere Abgeordnete. Auch sie werden voraussichtlich das Land verlassen. Sollte die Flucht hochrangiger Hutu-Politiker Burundis anhalten, wären die Tutsi im burundischen Staatswesen wieder unter sich,wie in den langen Jahrzehnten der Militärdiktatur.
Die Tage der gemischten Hutu- Tutsi-Regierung in Burundi gelten schon lange als gezählt. Das ihr zugrunde liegende Machtteilungsabkommen von 1994, laut dem Hutu- und Tutsi-Parteien gemeinsam regieren, wird von keiner wesentlichen Kraft mehr unterstützt. Präsident Sylvestre Ntibantunganya wird von Militärs und Tutsi-Politikern ignoriert und von radikalen Hutu des Verrats bezichtigt. Die Realität in Burundi besteht aus dem Bürgerkrieg zwischen der Armee und den Hutu-Rebellen, die aus Zaire heraus operieren. Über 150.000 Menschen sind bei den Kämpfen seit 1993 ums Leben gekommen. Die Armee befindet sich in der Defensive, seit die Rebellen auch im Süden des Landes angreifen, der traditionellen Bastion der Tutsi-Militärelite.
Der Krieg eskalierte weiter, nachdem die Regierung am 25. Juni bei einem ostafrikanischen Gipfeltreffen eine afrikanische Eingreiftruppe guthieß. Radikale Tutsi fordern seitdem fast täglich auf Kundgebungen in der Hauptstadt den Sturz des Präsidenten und zwangen bereits Premierminister Nduwayo, sich von der Eingreifidee wieder zu distanzieren. Ein Massaker nahe Gitega am vergangenen Samstag, bei dem über 300 Tutsi-Zivilisten starben, diente dazu, die Agitation noch weiter auf die Spitze zu treiben: Auf einen Tutsi-Generalstreik folgte am Dienstag eine emotionale Trauerfeier, bei der der Staatschef mit Steinen beworfen wurde. Er floh daraufhin in die US-Botschaftsresidenz; am Tag danach kündigte die Uprona die Regierungskoalition auf und brachte damit das fragile burundische Staatswesen endgültig zum Einsturz.
Wer dies veranlaßt hat und zu welchem Zweck, bleibt vorerst unklar. Frederic Bamvuginyumvira, Fraktionsvorsitzender der Frodebu im Parlament, sprach am Mittwoch von einem von Armee und Uprona gemeinsam betriebenen Umsturz. Jerôme Ndiho, Sprecher des politischen Arms der Hutu-Rebellen (CNDD), äußert gegenüber der taz die Einschätzung, Drahtzieher der Ereignisse sei Expräsident Pierre Buyoya, der Burundi von 1987 bis zu seiner Wahlniederlage 1993 regierte. Buyoya wolle sich damit innerhalb des Tutsi-Lagers gegen die Anhänger seines Vorgängers Jean-Baptiste Bagaza durchsetzen, der als Präsident Burundis zwischen 1972 und 1987 einige der schlimmsten Massaker an Hutu zu verantworten hatte und zu dem heute viele der in der Hauptstadt aufmarschierenden Tutsi-Milizen loyal sind. „Buyoya hat die Unterstützung des Verteidigungsministers und der höheren Offiziere“, sagt Ndiho. „Bagaza hat wenig Freunde unter den höheren Offizieren. Dagegen ist er in den mittleren Rängen sehr beliebt.“
Dieser Einschätzung zufolge wäre der „Putsch“, so es denn einer ist, vor allem das Ergebnis eines Machtkampfes innerhalb der Tutsi, bei dem die Militärführung gegen die in letzter Zeit immer stärker auftretenden Tutsi-Extremisten vorginge. Dafür spricht, daß der Tutsi-Premierminister Nduwayo dem Regierungsbruch zum Opfer fällt, während die Armee daraus gestärkt hervorgeht und zugleich ihre Loyalität zum Hutu-Präsidenten Ntibantunganya bekundet. Die Militärführung will eine ausländische Intervention in Burundi vermeiden. Da erscheint es durchaus logisch, daß sie hinter den Kulissen die Lähmung der Regierungsarbeit beenden will. Ein Fortdauern des Machtvakuums in Burundi würde eine Intervention ebenso begünstigen wie ein offener Putsch.
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