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Altbau mit Öko-Elementen

In einem Jahr soll die Marktstraße 111 wieder bezugsfertig sein – komplett mit Regenwassernutzung und Blockheizkraftwerk  ■ Von Heike Haarhoff

An Regentagen sieht die bröckelnd-bräunliche Haus-Fassade in der Markstraße 111 besonders trist aus. Von den maroden Dachziegeln rinnt das Wasser an den Außenwänden und dem Baugerüst davor runter, tröpfelt durch die Fensteröffnungen in die Räume: Die meisten Glasscheiben sind herausgebrochen. Seit Dezember 1995 sind die 32 städtischen Wohnungen geräumt. Vorübergehend. Die rund 80 MieterInnen nämlich sollen nacheinander bis Juli 1997 in ihre vier Wände zurückkehren können.

Bis dahin will die Stadterneuerungsgesellschaft (Steg) als Sanierungsträgerin im Karolinen-Viertel das heruntergekommene vierstöckige Terrassengebäude aus der Jahrhundertwende komplett instand gesetzt und modernisiert haben. Knapp fünf Millionen Mark aus öffentlichen Mitteln sind dafür veranschlagt. Jahrelang hatte das längliche Altbau-Haus mit den vielen Eingängen vor sich hingerottet. Als dann beschlossen wurde, statt abzureißen der Sanierung den Vorzug zu geben, „tauchte plötzlich der Schwamm auf“, erinnert sich Steg-Sprecher Rüdiger Dohrendorf. „Das macht die Sache so teuer.“

Der Charme des Altbaus wird die Kosten aufwiegen: Als vergangene Woche nach dem ersten halben Modernisierungs-Jahr Richtfest gefeiert wurde, konnten Steg-Geschäftsführer Peter Jorzick und Architektin Karin Dürr bereits zeigen, wie die Räume künftig umgestaltet sein werden: Wichtigste Neuerung ist wohl, daß alle Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen endlich Bäder, vollständige Küchen und eine Zentralheizung erhalten. „Früher heizten die Leute hier mit Öfen; die einzigen Wasserquellen waren oft ein Waschbecken in der Küche und die Toilette auf dem Gang“, berichtet Architektin Dürr. Wer handwerklich geschickt war, baute sich auf eigene Kosten eine Dusche ein.

Abgesehen von diesem „Komfort“ werden die Haustechnik komplett erneuert, der Wärme-, Schall- und Brandschutz verbessert, das Dach aus- und neue Fenster sowie Balkone eingebaut. Nach der Sanierung werden die Quadratmeterpreise mit 8,80 Mark nettokalt zwar immer noch um eine Mark niedriger liegen als die Einstiegsmieten im sozialen Wohnungsbau. Doch für MieterInnen, die zuvor 4,50 oder 5,50 Mark bezahlten, ist die Belastung erheblich. Trotzdem soll es nicht zu Verdrängung kommen, hofft die Steg: Die Betriebskosten nämlich würden sinken. Und auch durch „die beiden Öko-Elemente“, wie Karin Dürr die Heizungs- und Warmwasserversorgung mittels einer erdgasbetriebenen Heizzentrale sowie die ressourcensparende Regenwassernutzungsanlage nennt, ließen sich Kosten sparen.

Die Regenwassernutzungsanlage soll künftig den Wasserbedarf für die Toilettenspülung in den Wohnungen weitestgehend decken und damit den Trinkwasserverbrauch pro Tag und Person (etwa 130 Liter) um rund 20 Liter senken helfen. Wenn es regnet, läuft das Wasser von den Satteldächern in die Dachrinnen. Von dort wird es durch ein Rohr und verschiedene Filtersysteme in einen Speichertank geleitet. Bis zu elf Kubikmeter Wasser faßt der. Das „gereinigte“ Naß – Laub, Sandpartikel und Blüten werden ja zuvor herausgefiltert – gelangt dann über eine Zirkulations-Pumpe in die Toilettenspülung. Wertvolle Tropfen, die sonst einfach in den Sielen verschwinden würden, werden so aufgefangen und genutzt. In heißen Sommern und auch sonst, wenn das Regenwasser nicht ausreicht, die Notdurft der HausbewohnerInnen wegzuspülen, springt die „automatische Trinkwasser-Nachspeisung“ an, erklärt Architektin Dürr.

Von der Regenwassernutzungsanlage profitiert neben der Marktstraße 111 auch das bereits sanierte Nachbarhaus Marktstraße 107. Das wird übrigens auch über das Blockheizkraftwerk beheizt. Sobald die Altbauten Marktstraße 108 bis 110 ebenfalls saniert sind, werden auch sie an die umweltfreundlichen Heiz- und Toilettenspülsysteme angeschlossen.

An Regentagen werden die Haus-Fassaden in der Marktstraße also auch künftig trist aussehen. Wenigstens aber mit einem guten Grund wird man sich dann über das Hamburger Schmuddelwetter hinwegtrösten können.

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