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"Magic Bus", sangen die "Who" in den 70ern. Mitte der 90er fährt einmal im Monat ein Magic Bus, vollbesetzt mit deutschen Gläubigen, vom Allgäu nach Mailand. Exorzismus pur: Ziel der Reise ist ein schwarzer Dämonenaustreiber, der dem Satan

„Magic Bus“, sangen die „Who“ in den 70ern. Mitte der 90er fährt einmal im Monat ein Magic Bus, vollbesetzt mit deutschen Gläubigen, vom Allgäu nach Mailand. Exorzismus pur: Ziel der Reise ist ein schwarzer Dämonenaustreiber, der dem Satan zeigt, was eine Harke ist. Die Diözese Augsburg ist tief empört, der Bus voll besetzt.

Butterfahrt zum Teufel

Es ist eine ungewöhnliche Reisegesellschaft, die an jedem letzten Freitag im Monat gen Oberitalien aufbricht. Ziel ihrer dreitägigen Reise sind die sogenannten „Heilungsmessen“. Der aus Sambia stammende Erzbischof Emmanuel Milingo (66) zelebriert sie in der kleinen Ortschaft Arluno bei Mailand. Dort, in einer alten Fabrikhalle, treibt der Priester regelmäßig den Teufel aus.

Nach Erkenntnissen von Bernhard Gattner, Sprecher der Diözese Augsburg, geschieht folgendes: „Bischof Milingo spricht nach dem Gottesdienst Heilungsgebete und berührt Stellen an den Körpern der Leute, wo er versucht, bestimmte Dämonen auszutreiben.“ Mit Erfolg: Gläubige aus ganz Europa strömen zum Exorzisten.

Jetzt hat die Diözese vor den Teufelsaustreibungen gewarnt: „Wir raten sehr eindeutig, die Finger davon zu lassen. Was dort stattfindet, kann man nur mit Sorge begleiten.“ Doch die Sorgenfalten zeigen wenig Wirkung. Die Nachfrage nach den 265 Mark teuren Reisen ist ungebrochen. Auch die jüngste Teufelsfahrt, die gestern hoffnungsfroh in Wigratzbad im Allgäu startete, war ausverkauft.

Bis aus Hamburg, sagt der stockkonservative Expriester Bernward Maria Weiß, kämen die Teilnehmer. In Feldkirch und Bellinzona steigen weitere Gläubige zu. Weiß hat sich im Allgäuer Scheidegg niedergelassen. Hier organisiert er den Teufelstourismus.

Der pensionierte Priester ist zugleich Gründungsmitglied des extrem konservativen Kirchensenders „Radio Maria“, und er steht dem „Engelwerk“ nahe. Anhänger dieser fundamentalistischen Gruppe sind von dem freundlichen Gedanken beseelt, daß alle Menschen – außer sie selbst – von Dämonen besessen sind, die gefährliche Strahlen aussenden.

Pfarrer Weiß ist von der segensreichen Wirkung der Milingo-Gottesdienste überzeugt. „Da wird über den Kranken gebetet. Und wenn Besessene dabei sind, fangen die an zu toben, besonders, wenn die Psalmen gebetet werden.“

Dann schwärmt er von den wundersamen Heilungen. Eine Frau mit einer Rückgratverkrümmung sei in Arluno von ihrer schweren Krankheit genesen, und eine Dame, die wegen ihrer Hustenanfälle nicht mehr zur Beichte gehen konnte, sei gleichfalls geheilt.

Exorzismus hält Weiß für nichts Ungewöhnliches. Er bezieht sich auf das Markus-Evangelium, in dem es heißt: „In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben.“ Dieser Kampf gegen das Böse sei Aufgabe jedes normalen Christen. – Zum Teufelaustreiben bedarf es keiner großen Ausbildung. Er selbst, sagt der pensionierte Priester, kenne eine Frau, die das gut beherrsche, „und die ist weder Priesterin noch Bischof“. Es komme nur auf den rechten Glauben an. „Wenn man den Glauben hat, jagt man Krankheiten und böse Geister davon.“

Exorzismus gibt es auch ganz offiziell in der katholischen Kirche. Bistumssprecher Gattner betont aber, dafür sei die Zustimmung durch den Bischof notwendig. Nur „in begründeten Einzelfällen“ dürfe er praktiziert werden: wenn man „bestimmte Formen einer Besessenheit nicht mehr medizinisch, nicht mehr psychiatrisch, also nicht mehr mit diesen Humanwissenschaften verstehen kann“.

Für Gattner ist es unabdingbar, daß ein Arzt während des Exorzismus anwesend ist. Bei den Heilungsgottesdiensten des Bischofs Milingo sei genau das aber nicht der Fall.

Formell hat Milingo weder von Rom noch von der Erzdiözese Mailand die Genehmigung, seine Heilungsgottesdienste durchzuführen. Es wird jedoch wenig gegen seine Aktivitäten unternommen. Seine Anhänger brüsten sich damit, daß der Exorzist vom Papst persönlich mit Sonderaufgaben der Seelsorge betraut worden sei.

Nachdem jedoch Milingo seinen Massenexorzismus nicht in Kirchen praktizieren darf, wurde mit Geldern von Gönnern kurzerhand neben einem Maisfeld ein Gebäude errichtet, das einer Fabrikhalle ähnelt. „Innen ist es wie eine ganz normale Kirche“, berichtet ein Teilnehmer der Spezialgottesdienste. „Da sind lauter sakrale Gegenstände drin.“

Andere Gläubige haben beobachtet, daß alte Frauen in Schuhkartons Geldspenden anschleppten. Und ein Anhänger des Exorzisten gibt ganz offen zu, „daß es schon sein kann, daß jemand, der unbelastet da reinkommt, geschockt ist“. Es sei gewaltig, „wenn ein dämonisch Besessener mit Weihwasser besprengt wird und anfängt zu toben“. Aber diese Behandlung bringe den Betroffenen schließlich ihren inneren Frieden. Sektenbeauftragte warnen inzwischen vor einer psychischen Abhängigkeit, die durch den Exorzismus entstehen könne. Oftmals würden die Teilnehmer in einen wahren „Teufelskreis“ hineingezogen, ohne daß ihr eigentliches Problem beseitigt werde. Der Exorzismus habe eine magische Wirkung, sei aber schlichtweg gefährlich. Klaus Wittmann,

Bistum Memmingen

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