: Die Taktik der Talkshow-Göttin ging nicht auf
■ Uta Pippig, bekannteste Marathon-Läuferin der Welt, hat es nicht geschafft: No-name Fatuma Roba aus Äthiopien gewann gestern überraschend Olympia-Gold
Atlanta (dpa/taz) – Uta Pippig lief allen davon. Allerdings nur knapp 16 Kilometer. Dann, als die Strecke eben nach einem kräfteraubenden Anstieg in ein Flachstück überging, wurde Pippig von einer Fünfergruppe überholt. Am Ende hatte nicht sie, sondern Fatuma Roba (26) aus Äthiopien gestern in Atlanta überraschend olympisches Gold im Marathon gewonnen. Die WM-19. von Göteborg war in Jahresweltbestzeit (2:26:05 min) deutlich schneller als Walentina Jegorowa aus Rußland (2:28:06) und Yuko Arimori (2:28:39), die beiden Erstplazierten von Barcelona 1992. Katrin Dörre-Heinig (Fürth/München) wurde sechs Sekunden hinter der Japanerin Vierte.
Uta Pippig (30) hat zuletzt dreimal in Folge den Boston-Marathon gewonnen. Und sie hat eine Schuhfirma, die es prima verstand, sie als vermeintlich unangefochtene Marathon-Göttin im öffentlichen Bewußtsein zu plazieren. Die Frau, die aus Ostberlin kommt und zehn Monate im Jahr in Boulder, Colorado, rote Blutkörperchen tankt, wurde zum internationalen Star.
Pippig joggte mit dem Präsidenten, Pippig inszenierte sich in Dave Lettermans „Late Show“. Das Bild der hageren Frau, die im Ziel strahlend Kußhändchen verteilt, ist ein paarmal um die Welt gegangen. Was seltener Erwähnung fand: Bei Olympia erreichte sie als beste Plazierung Rang sieben in Barcelona über 10.000 m. Auf derselben Distanz wurde sie bei WMs einmal Sechste, einmal Neunte. In Göteborg zog sie im vergangenen Jahr kurz vor dem Start zurück. In Atlanta, so hatte es Sports Illustrated angedeutet, würde sie das gleiche tun.
Tat sie nicht. Sie lief eine Stunde vorne weg. Dann war sie mit den Kräften am Ende. Völlig erschöpft gab Pippig nach gut 35 Kilometer auf. Da war sie längst überholt von der deutschen Konkurrentin Katrin Dörre-Heinig. „Ich bin glücklich, Vierte zu sein, aber traurig, Bronze so knapp verpaßt zu haben“, sagte Dörre-Heinig (34) nach ihrem 34. Marathon, von denen sie immerhin 19 gewann. Sonja Krolik (Leverkusen) wurde Achte.
Für Dörre-Heinig war der vierte Rang „mehr wert als Bronze in Seoul. Es war die brutalste Strecke, die ich jemals gelaufen bin.“ Der Stadtkurs von Atlanta forderte die Läuferinnen sehr. Der Höhenunterschied im Verlauf der Strecke lag bei etwa 80 Metern.
Was Pippig betrifft: Der Abstand seit dem Boston-Sieg am 27. April sei einfach zu kurz, hatte Bundestrainer Wolfgang Heinig gesagt. Vorher. Er behielt recht.
Die Stunde Führungsarbeit reichte allerdings ihren Sponsoren, eine Reihe von TV-Werbespots in das Rennen einzublenden. Insofern könnte es sein, daß Uta Pippigs Taktik irgendwie doch aufgegangen ist.
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