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Wissenschaftler müssen weiter rotieren

■ Das Verfassungsgericht: Mitarbeiterstellen an den Unis dürfen befristet werden

Karlsruhe (taz) – Die Stellen für wissenschaftliche MitarbeiterInnen in Forschung und Lehre durften per Gesetz befristet werden. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Damit wurden zwei Verfassungsbeschwerden abgelehnt, die die Gewerkschaften ÖTV und GEW schon vor rund zehn Jahren eingelegt hatten. Sie wollten eine Änderung des Hochschulrahmengesetzes als verfassungswidrigen Eingriff in die Tarifautonomie rückgängig machen. Nach ÖTV- Schätzungen arbeiten derzeit rund 120.000 WissenschaftlerInnen in befristeten Arbeitsverhältnissen. Etwa 100.000 von ihnen sind danach an staatlichen Hochschulen beschäftigt.

„Dort wird das wissenschaftliche Personal neben den Professoren fast nur noch befristet eingestellt“, erklärt der ÖTV-Experte Karl-Heinrich Steinheimer. An sonstigen öffentlichen Forschungseinrichtungen, wie den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, sei jede zweite dieser Stellen befristet.

Nur so könne die Innovationskraft der Forschungseinrichtungen gesichert werden, begründete dies der Gesetzgeber im Jahre 1985. Die Befristung auf maximal fünf Jahre mache Platz für neue HochschulabgängerInnen, die sich „auf dem neuestens wissenschaftlichen Erkenntnisstand“ befänden. Möglich war die Befristung von WissenschaftlerInnenstellen auch schon vor 1985. Die Arbeitsgerichte forderten für die Befristung jedoch einen „sachlichen Grund“ und ließen dabei die öffentlichen Arbeitgeber öfters im Regen stehen. Immer wieder gelang es WissenschaftlerInnen, sich unbefristete Stellen zu erklagen. Deshalb versuchte die öffentliche Hand, eine Änderung des Bundesangestelltentarifs zu erreichen, um die Befristung zu erleichtern. Dies scheiterte aber an den Gewerkschaften.

Doch über diese Niederlage am Verhandlungstisch jammerten die öffentlichen ArbeitgeberInnen nicht lange. Sie schlüpften in eine andere Rolle und erließen 1985 die erwünschte Regelung als Gesetz. Gegen den Eingriff in die Tarifautonomie erhoben GEW und ÖTV Verfassungsbeschwerde.

Zehn Jahre später stelte Karlsruhe fest: Der Trick war gerechtfertigt. Zwar liege wirklich ein Eingriff in die Tarifautonomie vor, dieser sei aber zulässig. Denn das Grundgesetz habe eine „objektive Wertentscheidung“ für die „Pflege der freien Wissenschaft“ getroffen. Die RichterInnen akzeptierten sogar, daß das Gesetz nicht einmal durch spätere Tarifverträge – also mit Zustimmung der öffentlichen ArbeitgeberInnen – verdrängt werden kann. Christian Rath

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