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Ausgefeilte Expressivität

Heute beginnt das Festival „Tanz im August“. Erstmals steht die Komische Oper zur Verfügung. Ohne Sensationen geht es diesmal nicht. Ein Fest auch für TänzerInnen soll es aber bleiben  ■ Von Katrin Bettina Müller

Um olympisches Gold geht es zwar nicht, aber um die Grenzen körperlicher Leistungs- und Leidensfähigkeit durchaus in dem Festival „Tanz im August“. Denn in das sprachlose Reich der Leidenschaften wollen die Choreographen der eingeladenen Compagnien den Besucher nicht selten entführen. Virtuosität ist Trumpf.

Erwarten kann man aus Frankfurt/Main das S.O.A.P. Dance Theatre, dessen Choreograph Rui Horta nach den „Elementen von Gewalt in Leidenschaft“ und Möglichkeiten „konstruktiver Aggressivität“ sucht. Das verbindet diese erfolgreichste zeitgenössische Compagnie Deutschlands mit der kanadischen Gruppe Lalala Human Steps, die ebenfalls für Beschleunigung der Bewegung bis an den Rand der Gefährdung steht. Ihr erstes Gastspiel in Berlin wurde lange erwartet.

„Moderner“ Tanz hat eine lange Tradition

Beide Compagnien betreiben die Suche nach dem Authentischen mit einer technisch ausgefeilten Expressivität, die sich Ende der 80er Jahre von der wilden Malerei in den Tanz verlagerte und noch einmal explosiv steigerte. An die tanzhistorischen Anfänge einer dramatischen Bewegungssprache, die aus dem Innersten des Körpers kommt, erinnert das Programm „radical graham“, eine Rekonstruktion der frühen Tänze von Martha Graham aus den 20er und 30er Jahren.

Denn daß der „moderne“ Tanz selbst schon eine fast 100jährige Geschichte hat, gerät leicht in Vergessenheit. Das liegt zum einen an seiner flüchtigen Form, die sich so schlecht nacherzählen und erinnern läßt. Zum anderen gründet seine Geschichtslosigkeit in der hartnäckigen Trennung von Ballett und Moderne, die sich noch immer im kulturellen „Off“ befindet, zumindest in Berlin, gemessen an den Ballettbühnen der Opernhäuser. Deshalb bedeutet es für das Festival „Tanz im August“ einen großen Fortschritt, erstmals mit der Komischen Oper zusammenarbeiten zu können, die ihre Bühne für das Gastspiel der New Yorker Graham Company öffnet.

Noch einen neugewonnenen Partner konnte Nele Hertling, die seit acht Jahren das Festival leitet, auf der einleitenden Pressekonferenz vorstellen. Dank des Sponsorings von debis war es möglich, die Batsheva Dance Company aus Israel einzuladen, die eine große Show auf der Baustelle am Potsdamer Platz veranstalten will. Vorläufig sind die Veranstalter völlig von der logistischen Herausforderung begeistert, Baustellenbetrieb und Tanztheater sicher über die Bühne zu bringen. Choreographie der Lkw. Das kostet. Das ist riskant. Das ist sensationell. Ein Auftritt an einem anderen Platz der Stadt wäre debis sicher billiger gekommen, aber kaum so spektakulär. So war das Superereignis denn auch blitzschnell ausverkauft.

Auf Sensationen kann eben auch „Tanz im August“ nicht mehr verzichten, zumal der Etat seit 1988 beständig schrumpft — von 1,8 Millionen auf 700.000 Mark, die das Hebbel-Theater und die Tanzwerkstatt 1996 ausgeben. Nur durch die Suche nach immer neuen Kooperationspartnern gelingt das Festhalten an einem Grundgedanken, den Nele Hertling immer wieder hervorhob: „Tanz im August“ ist ein Fest für die Tänzer, die nicht nur für ihr Gastspiel, sondern für den ganzen Monat eingeladen sind. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch in Workshops und Tanzklassen können sie andere Körpersprachen und Raumkonzepte kennenlernen. Konzipiert auch als Förderung der Berliner Tanzszene, die in den 80er Jahren dringend Impulse und Ermutigung brauchte, hat sich der internationale Austausch bisher als produktiv erwiesen.

Amanda Miller gab sich vorneweg atemlos

Hat irgendwer Amanda Miller gesehen? Ihre „pretty ugly dancecompany“ eröffnet heute abend das Festival im Hebbel-Theater, und eigentlich sollte sie den Journalisten etwas über ihre Arbeit erzählen. Aber mit den Worten „a hundred ideas are travelling around my head“ entschuldigte sie sich. Ohne feste Anbindung an einen Ort entwickelt sie ihre Stücke, oft in Kooperation mit verschiedenen Bühnen. Das erhalte den Tanz lebendig, meinte sie noch, bevor sie wieder davonrannte, um am letzten Teil ihrer Choreographie zu feilen.

Ruhelose Zeiten für den Tanz? „Tanz im August“ hat sich mit seinen angestammten Partnern Tanzfabrik, Podewil und Theater am Halleschen Ufer gut auf ein Programm eingespielt, in dem neben prominenten Gastspielen Raum für Soloabende, Videos, Ausstellungen und Gespräche mit Choreographen und Kritikern ist. Dennoch spiegeln die kooperativen Verzweigungen eigentlich eine Notlage wider, in der Produktionen an einem Ort nicht mehr möglich sind.

Heute bis 4. 8.: „Pretty ugly“, 6./7. 8: Vicente Saez; 9./10.8.: S.O.A.P, alles im Hebbeltheater; 7.–9. 8.: August Benoit Lachambre im Theater am Halleschen Ufer, 10.–13. 8.: „radical graham“ in der Komischen Oper. Informationen und Termine weiterer Gastspiele unter Telefon: 2 51 01 44

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