■ Mit chinesischen Bossen auf du und du: Knallhart überlegen
Berlin (taz) – Tinajin, Shenyang, Wuhan, Guangzhou – deutsche Verkehrsmanager können inzwischen mühelos chinesische Millionenstädte aufzählen. Denn der öffentliche Personennahverkehr im Reich der Mitte entwickelt sich zu einem Megamarkt. Bislang setzt die Schienenverkehrsindustrie 30 Prozent nach Asien ab – Tendenz steigend. Das spürt der Manager. Doch die Wirtschaftsbosse jenseits des Jangtsekiang wollen sich ncht an das Klischee vom freundlich lächelnden Chinesen halten. „Die verhandeln knallhart“, gesteht der Spartenleiter Verkehrstechnik bei Siemens, Wolfram Martinsen.
Zwar haben Siemens und die ABB Daimler-Benz Transportations GmbH (ADtranz) gerade von China den Auftrag erhalten, für 652 Millionen Mark eine zweite U-Bahn-Linie in Schanghai zu bauen. Aber der Auftrag war nicht leicht an Land zu ziehen. Der Dollarkurs und die chinesische Mentalität erschwerten die Verhandlungen. „Die haben unendlich Zeit“, klagt Martinsen. Während die Westmanager unter der Knute ihrer Timetables stehen, sondieren die Chinesen ausführlich die Konkurrenz. Der große Tag für den Vertragsabschluß wird dann ganz schnell und feiertagsunfreundlich terminiert. „Die Abschlußverhandlungen legen die auf den 23. Dezember!“ knurrt der Siemens-Mann. „Das hatten wir schon ein paarmal. In der entscheidenden Nacht sitzen unsere Leute dann auf Kohlen!“
Deutsche Verhandlungsstrategien in Fernost werden zudem durch ein „ausgeklügeltes Informationssystem“ konterkariert. Der Westmanager ist baff erstaunt über den Kenntnisstand der chinesischen Tischnachbarn. „Plötzlich merken sie, daß ihr chinesisches Gegenüber Sachen über ihr Unternehmen weiß, die sie sich nicht hätten träumen lassen“, sagt Martinsen. „Die schreiben jedes Wort mit. Wehe, Sie haben irgendwann einmal unvorsichtig einen Schätzpreis abgegeben!“ Martinsens Kompagnon Werner Rauer von ADtranz nickt schmunzelnd.
Alle Verhandlungskunst nutzt freilich nichts ohne tatkräftige Unterstützung aus Bonn. „Ohne staatlich gestütztes Finanzierungskonzept brauchen sie gar nicht nach China zu fahren“, weiß Martinsen. Soft loan heißt das Schmiermittel der Millionendeals mit China: Die Bundesregierung streckt die Baukosten vor. Im jüngsten Fall sind es 450 Millionen Mark aus dem Bundesetat, zinsfrei über 15 Jahre. Christian Füller
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