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Spiel mit Punkten

■ betr.: Berichterstattung zu den Sparmaßnahmen im Gesundheits wesen

Seit Wochen verfolge ich in den Medien die Darstellungen über den neuen EBM, einheitlicher Bewertungsmaßstab [...].

Ich möchte gerne abrechnen können, was ich wirklich geleistet habe, dies aber ist unmöglich, und dem KV-Vorsitzenden ist tatsächlich ein Kollege bekannt, der Gespräche über 17,2 Stunden pro Tag abgerechnet hat. Wenn denn der KV-Vorsitzende mit dem von ihm selbst zugestimmten Verrechnungssystem klarkommt, dürfte ihm bekannt sein, daß diese Polemik fehl am Platze ist, da 1. leicht überführbar und 2. dieses Beispiel den Kern der Kritik an diesem Honorarsystem nicht einmal streift.

Ich möchte gern einmal verdeutlichen, wie das Honorarsystem aussieht: Ich selbst bin praktische Ärztin und versorge pro Quartal ca. 1.000 Patienten. Meine Aufgabe als Hausärztin sehe ich u.a. darin, kostspielige Zusatzuntersuchungen und Krankenhausbehandlungen zu bahnen oder unnötige zu vermeiden. Dazu gehört ein intensives und oft nicht nur einmaliges Gespräch pro Quartal. Nun sieht die neue Gebührenordnung vor, daß pro Fallzahl (Summe der Patienten am Quartalsende) 220 Punkte an Gesprächsleistungen anerkannt werden. Nun wird aber ein einziges zehnminütiges Gespräch schon mit 300 Punkten angerechnet. Daraus ist unschwer berechenbar, daß ich nicht einmal pro Patient ein Gespräch pro Quartal (3 Monate) berechnen kann. Noch gravierender ist das Beispiel einer Ganzkörperuntersuchung. Hier werden mir pro Patient 15 Punkte zugestanden, aber pro Untersuchung 320 Punkte berechnet. Das bedeutet, daß ich pro 21 Patienten eine Untersuchung anerkannt bekomme. Teiluntersuchungen sind gar nicht abrechenbar. Um den Unsinn nun noch kompletter zu machen, hat jede verbrauchte Punktzahl einen Punktwert, der dann in Mark umgerechnet wird. Den Punktwert des Punktes erfahre ich aber erst nach dem abgelaufenen Quartal, genau ca. vier Monate später. Zur Spaltung unter den Kollegen oder eventuell auch wegen der Interessenvertretung in der KV sind die mir zugestandenen Punkte nun auch noch fachgruppenunterschiedlich. So kann ein Kinderarzt für eine Untersuchung pro Fall 100 Punkte verbrauchen, ein Internist 30 und ich wie erwähnt 15. Vergleichbar different und unsinnig sind die anderen Budgetleistungen. Demgegenüber wurden die technisch-apparativen Leistungen besser bewertet, obwohl der neue EBM mit der Begründung eingeführt wurde, die zugewandte, ärztliche Gespräche betreffende Medizin höher zu bewerten. Nun kann ich allerdings die Möglichkeit, mit jedem zweiten Patienten pro Quartal zehn Minuten sprechen zu dürfen, nicht als Errungenschaft betrachten, denn dies war vor dem neuen EBM für mich schon selbstverständlich, und zwar für jeden Patienten und öfter als einmal pro Quartal.

Seit Anfang diesen Jahres haben sich die Abrechnungsmodalitäten dieses lang geplanten EBM schon zweimal geändert. Statt meine Energie auf meine Patienten zu verwenden, stelle ich mich und meine Computeranlage auf ständig wechselnde Budgets, wechselnde Ziffern und wechselnde Punkte um. Mir schwirrt vor lauter Punktzahlen und deren Punktwerten schon der Kopf. Hätte ich Statistik studieren wollen, hätte ich dies getan. Kein Arbeitnehmer würde sich diesen Unsinn gefallen lassen, und das mit Recht. Aber ich habe keine Wahl, denn wer von mir fordert, daß ich mein Unternehmen nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, sprich nach den Veränderungen der Gebührenbewertung, richte, um meine Kosten zu decken und auch für mich ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen, muß mich für einen idealistischen Trottel oder für dumm halten. Ich bin aber keines von beidem.

Auch ärztliche Leistungen müssen kalkulierbar und kostendeckend sein. Ein Hausbesuch z.B. bringt mir zur Zeit 22 Mark. Ein Elektriker würde mich bei Anbieten dieses Betrages nicht einmal einer Antwort würdigen. Bei meiner Arbeitszeit von über 50 Stunden pro Woche steht meine Bezahlung in keinem Verhältnis mehr zu meiner Leistung. Die Verantwortung eines Arztes ist größer als die eines Funktionärs oder eines Ministers, die ein Vielfaches davon verdienen und rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können.

Ich fordere deshalb:

den Rücktritt der Verursacher dieses Unsinnes; einen festen Betrag für Leistungen; eine Einzelleistungsvergütung und zur vernünftigen, sachgerechten Verwendung der Versicherungsgelder: einen Abbau der zunehmenden Krankenkassenbürokratie, Abbau versicherungsfremder Leistungen, Kontrolle der Ausgaben der Krankenkassen. Dr. Gernbauer, Berlin

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