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Der taz-Sommerroman: "Dumm gelaufen" - Teil 24

Weizen nahm sich andere Freiheiten: Er meinte die Brauns, die Politik und selbstverständlich auch Frauen. Carola hatte Carola, das Fenster zu den Fenstern und damit genügend Geschichten zum Leben! Die Geschichten waren alle gleich. Sie waren alle wie Carolas Geschichte. Im Schatten der Stadt. Im Schatten der Gardinen. Im Schatten einer geteilten Steinsamkeit. Darum verstand sie auch alle Geschichten. Das gab Carolas Leben Sicherheit und Ordnung. Schon mit siebzehn Jahren. Und Weizen? Weizen schenkte Carola kein Gras mehr. Er hatte Carola durch das Gras absolut nichts zu sagen. Aber ein neues Frauenmagazin hatte Weizen für Carola eingesteckt. Joyce! Er mußte sich Carola als Wegsteckhuhn halten! Es war eine aktive Zeitschrift für aktive Frauen; eine aktive Frau wie Carola. Und schon auf den ersten Seiten hoffte Joyce für Carola, daß sie viele und neue aufregende Sachen entdecken wird. Joyce hatte Carola dann noch einen Tip gegeben. Die letzten Outfits für einen heißen Sommer sollte sie auf Seite 56 suchen. Carola suchte kurz den Ratgeber in Joyce auf. Kann Frau Mann alles sagen? Das war die Frage. Und für Carola war das nur noch eine Erinnerung: Geben und Nehmen. Und all diese verliebten Sachen. Später wollte Carola Weizen abblitzen lassen. Dann nicht! Etwas später wollte Weizen den Abgang. Carola zog diesen Gedanken zurück, Weizen nicht. Weizen den Kopf einschlagen, das hätte Carola gerne einmal getan. Und er wollte Carola ins Grab bringen. Jedes Wort ein Mord. Immer öfter. Immer häufiger. Aber auch immer leerer. Carola fing die verbalen Geschosse ab und kümmerte sich nicht mehr um die Worthülsen. Sie waren ihr irgendwo im Hals stecken geblieben und konnten sie nicht mehr verletzen.

Carola bummelte weiter durch die Seiten von Joyce, schlug eine eingeklebte Probe Gesichtsmilch für die Nacht auf und blieb mit dem Blick auf dem Duftstreifen von Cool Water stehen! Öffnen Sie den Streifen, reiben Sie ihre Handballen ein, und erleben Sie dann Cool Water. Das Parfum Ein neuer Duft. Ein individueller Duft. Ein Duft, der aus der alten Carola eine neue kreieren konnte. Vielleicht mochte Weizen dann seine Nase wieder in ihre Sachen stecken: eine Chance für ihre Liebe. Gedanken in Carola. Gedanken aus Liebe und auch noch einem Rest Hoffnung. Carola öffnete den Streifen, atmete Lust, Leidenschaft und Liebe ein, und erlebte dann in Sekunden mit Cool Water ihren eigenen Tod. In kurzen Momenten ging ihr der Atem, dann das Licht in ihren Augen und schließlich der letzte Film in ihrem Kopf aus; ohne einen Gedanken an Gift. Carolas Leiche streckte sich durchzogen von dem Parfum auf dem Boden. Nach Stunden der Nacht tauchte Weizen auf. Seine Augen ruhten sicher in dem Dunkel der gemeinsamen Wohnung. Seine Schritte setzten sich noch sicherer durch die Grauzonen der einzelnen Zimmer. Seine Gedanken wanderten in absoluter Sicherheit zu der Leiche von Carola.

(Fortsetzung folgt)

Copyright Achilla Presse Bremen sich noch durch die Straßen der Huren. Einige verfluchten den Morgen. Einige blieben einfach auf der Straße liegen. Der Morgen versorgte ihren Schlaf. Die Nacht zog sich vom Kopfsteinpflaster zurück. Und Weizen hatte eine Leiche gemacht. Die Brauns hatten den Rest zu besorgen! Hinter Weizens Schritten verbrannten die Beweise in einer Mülltonne.

(Fortsetzung folgt)

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