: Hauch von Hollywood
■ St. Pauli gewinnt 4:1 in Oberhausen, wo man wieder vom Profifußball träumt
Oberhausen (taz) – „Ich habe von Fußball keine Ahnung, aber was ich so sehe, ist Oberhausen besser“, analysierte nach 15 Minuten einer der Düsseldorfer Fallschirmspringer, die das Erlebnis 1. Hauptrunde DFB-Pokal eingeläutet hatten. Die Marketing-Abteilung von Rot-Weiß Oberhausen hatte sich alle Mühe gegeben, dem Spiel gegen St. Pauli mit Cheerleadern, Torwandschießen und einem Korso des „freundlichen Autohauses von nebenan“ einen „attraktiven“ Rahmen zu geben. Ein weiterer „Hauch“ von Hollywood (Warner-Welt in Bottrop, 1997; Oberhausen, vierte Musical-Stadt im Pott etc.) im L. A. Deutschlands, dem Ruhrgebiet. Aber bisher nichts gegen das, was der Fußball dieser Region gibt beziehungsweise gegeben hat.
1969 führte „Addi“ Preisler mit einer Mannschaft, die bis auf zwei Spieler nur aus Ruhrpott-Jungs bestand, RWO ins Oberhaus. In der zweiten Saison von dreien in der Erstklassigkeit waren die 24 Treffer von Torschützenkönig Lothar Kobluhn Grundstock für den erst am letzten Spieltag gesicherten Klassenerhalt. 1973 aber war es soweit: RWO verabschiedete sich aus der Bundesliga und stürzte in die Bedeutungslosigkeit. Finanzskandale bestimmten fortan das Bild. „Hejaho RWO“ blieb die Seltenheit, übrig allein die Erinnerung an den fünften Spieltag 1969/70: Die „Kleeblätter“ Tabellenführer der Bundesliga.
Heute, nach Jahren der Tristesse, schöpfen die Verantwortlichen wieder Mut. Das Präsidium erstellte einen Drei-Jahres-Plan, der nicht nur die Überdachung der Gegentribüne und Erneuerung der Haupttribüne beinhaltet. Der bezahlte Fußball ist das Begehren, und für die Trainerkollegen von Franz-Josef Kneuper ist RWO ein heißer Aufstiegskandidat. Rund 4,5 Millionen Mark Altschulden hat die neue Führung abgetragen. Die Einnahmen der Regionalliga West-Südwest reichen aber nicht aus, um langfristig die Kosten zu decken. Es fehlen die Spiele mit Gegnern wie Rot-Weiß Essen und die Fernsehgelder für Fahrten nach Neunkirchen, Teveren oder Elversberg. Von der 700prozentigen (!) Erhöhung der Beiträge für die Verwaltungsberufsgenossenschaft ganz zu schweigen: rund 300.000 Mark. Eine „Zwitter-Situation“ meint Manager Rummel, 1978 selbst als Trainer des Teams in die zweite Liga aufgestiegen. Wo sind die Zuschauer, die im Schatten des mächtigen Gasometers dazu beitragen, RWO dahin zu bringen, wo nicht nur das finanzielle Glück winkt? Die Antwort steht und sitzt in Bochum, Gelsenkirchen, Duisburg oder Essen.
Wenn auch die Masse nicht stimmt, die Klasse unter den einst als „rechts verrufenen“ Fans nimmt zu. Das ist das Ergebnis diverser Stadionverbote und der Arbeit eines seit zwei Jahren beschäftigten Fanbetreuers.
Im Herbst 1996 eröffnet mit dem CentrO die gigantische „Stadt in der Stadt“ nur wenige Meter vom klitzeklein-charmanten Niederrhein-Stadion entfernt. 2.700 Quadratmeter Einkaufszentrum, acht Hektar Freizeitanlage, Restaurant „Planet Hollywood“, 12.000-Sitzplatz-Mehrzweckhalle für Sport und Kultur sowie 600 Wohnungen. „Hejaho (RW)O“. Trotzdem gewinnt der Kiezclub aus St. Pauli 4:1. Trainer Kneuper: „...und zu dem Schiedsrichter sag' ich nix“. Uwe Viehmann
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