: Endlich raus aus dem Waldhof-Schatten
■ Der Regionalligist VfR Mannheim sucht sein Heil im Aufstieg: Nach der 0:2-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach glaubt man noch fester an den steten Weg nach oben
Mannheim( taz) – Am Samstag nachmittag war alles endlich mal wieder so, wie es eigentlich immer sein sollte. Der VfR Mannheim spielte im großen Carl-Benz- statt im kleinen Rhein-Neckar-Stadion. Der Gegner hieß Borussia Mönchengladbach und nicht Borussia Fulda, es kamen 11.200 Zuschauer anstatt der sieben- oder achthundert im Regionalliga-Alltag, und Lokalrivale SV Waldhof, der im innerstädtischen Vergleich seit zwei Jahrzehnten die Nase fast ständig vorne hat, stand endlich mal wieder im Schatten der Jungs vom Verein für Rasenspiele. Denn die Blau-Schwarzen waren weit weg, spielten im DFB-Pokal beim Chemnitzer FC aus der Regionalliga Nordost.
Endlich war der VfR mal nicht an den Rand gedrängt, wie es der Klub seit der Einweihung des Carl- Benz-Stadions im Februar 95 deutlicher ist als je zuvor. Denn in Sichtweite der Haupttribünenbesucher des Rhein-Neckar-Stadions türmt sich die neue Arena gerade mal hundert Meter hinter der Gegengeraden auf. Und die ist nun mal vornehmliche Spielstätte des eigentlich am Alsenweg im Mannheimer Norden beheimateten SV. Was den Heimspielen des VfR den unangenehmen Beigeschmack eines Nachwuchs- oder Reserverundenspiels verleiht.
Deshalb war man am Samstag nicht einmal besonders traurig über die unverdiente 0:2-Niederlage gegen den hohen Favoriten vom Niederrhein durch zwei Tore von Jörgen Pettersson (31., 89.). Zu sehr schmeichelte das Lob der Gäste der in den letzten Jahren schwer malträtierten VfR-Seele. „Die haben eine super Mannschaft“, zollte Thomas Kastenmaier dem Außenseiter Respekt. Und sein Trainer Bernd Krauss bescheinigte dem Gegner höflich, „Zweitliga-Niveau“ zu haben. Was bei den Mannheimer VIPs Begeisterung auslöste. Denn im bezahlten Fußball, da will sich der deutsche Meister von 1949 auf Dauer etablieren. 1963 wurde die Qualifikation für die neugeschaffene erste Bundesliga nur um einen Punkt verpaßt, und lediglich in der Saison 1974/75 spielte man in der zweiten Liga.
Aber was vor einigen Jahren, als die Rasenspieler in fünf Oberliga- Spielzeiten zehn Trainer verschlissen und trotz teils großem finanziellem Aufwand lediglich um den Klassenerhalt kämpften, als Utopie erschien, liegt auf einmal im Bereich des Möglichen. Ein verblüffender Aufschwung des schon fast abgeschriebenen Traditionsklubs, der einen Namen trägt: Günther Birkle.
Die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg befand unlängst sogar, der Coach sei „reif fürs Bundesverdienstkreuz“, denn der Amtsrat von der LVA in Speyer sitzt schon im fünften Jahr auf dem Mannheimer Trainerstuhl. Und war doch nie unumstritten. Denn obwohl es jedes Jahr aufwärts ging, galt Birkle jahrelang nur als Notnagel.
Hans-Günter Neues war 1992 als Tainer im Gespräch, Heiner Übele und Klaus Schlappner. Der Mannheimer Morgen meldete damals gar Hans-Peter Briegel als neuen Coach. Aber immer, wenn die Runde begann, stand dieser namenlose Beamtentyp mit dem Notizzettel in der Hand am Spielfeldrand. In diesem Jahr ging die Vertragsverlängerung mit dem besonnenen Birkle erstmals problemlos über die Bühne. Was die Spieler freute, aber einige Angestellte der LVA weniger. Sehr korrekt sei der Chef, wird dort zwar gelobt, aber launisch halt. Wenn der VfR verloren habe, sei kaum mit ihm zu reden.
Was wohl nicht besser wird, denn der Baumeister des „neuen VfR“ steht unter Druck wie nie zuvor. „Günther Birkle hat sich als Architekt herauskristallisiert, der eine Spitzenmannschaft zusammengestellt hat“, lobt zwar der Sportvorsitzende Walter Langendörfer. Aber Fußball-Abteilungsleiter Egon Scheuermann macht deutlich: „Ein zweites Jahr geht so was nicht.“ Womit er den für die bescheidenen Mannheimer Verhältnisse hohen 1,4-Millionen- Mark-Etat in dieser Saison meint. Und damit klarstellt: Entweder muß man jetzt in den bezahlten Fußball – oder lange nicht mehr.
Sollte der Coup aber gelingen, dann, da ist man sich in Mannheim sicher, hätte der VfR gute Karten. Die Rasenspieler gelten im Gegensatz zum Arbeiterklub aus dem Mannheimer Norden als Verein der Geschäftsleute. Gute Voraussetzungen bei der Sponsorensuche. Und noch eines könnte das harmonische Nebeneinander der Lokalrivalen – die Präsidenten Wilfried Gaul vom SVW und Heiner Graeff vom VfR sind dick befreundet – stören: Im Carl-Benz-Stadion dürfen wegen Klagen der Anwohner aus den angrenzenden feinen Wohngegenden in Neuostheim und der Oststadt nur 25 Spiele im Jahr ausgetragen werden. Und zwei Zweitligisten haben allein in der Punkterunde 34 Heimpartien.
Gisela Marx, frühere „Mutter“ der A-Jugend und inzwischen für die Verpflegung im VIP-Raum zuständig, hat jedenfalls schon mal vorsorglich gefordert: „Wenn wir aufsteigen, müssen in den Räumen im Carl-Benz-Stadion genauso viele VfR- wie Waldhof-Lampen aufgehängt werden.“ Der Freundschaft der Führungsspitzen zum Trotz: Auch in der Quadratestadt wird der eigene Sieg erst durch die Niederlage des Lokalrivalen so richtig schön. Harald Gaubatz
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