Komplizierte Krajina

■ Betr: Leserbrief von Norbert Rix ner, taz vom 8.8. 96

Der Leser bezieht sich in seiner Kritik auf einen Artikel unseres Korrespondenten Erich Rathfelder über die Westherzegowina (taz vom 2.8. 96). Er zitiert daraus den Satz: „Anders als die serbisch-orthodoxe Bevölkerung, die dem osmanischen Staat als Wehrbauern in der weiter westlich gelegenen Krajina dienten, blieb die katholische Bevölkerung in der Westherzegowina aufmüpfig“, und weist im folgenden darauf hin, daß es unmöglich ist, daß die Osmanen in der habsburgischen Krajina, also im Feindesland, Wehrdörfer errichteten. In der Tat. Doch leider ist dem Leser bei der Wiedergabe des Zitats eine entscheidende Unterlassung unterlaufen. In dem Artikel unseres Korrespondenten hieß es nämlich „in der weiter westlich gelegenen bosnischen Krajina“. Es handelt sich also gerade nicht um jenen Teil der Krajina, der von den Habsburgern kontrolliert wurde. Die Osmanen, denen daran gelegen war, die durch Krieg und Pest entvölkerten Gebiete Bosniens wieder zu beleben – dies gilt vor allem für die Grenzregionen – siedelten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der bosnischen Krajina serbisch- orthodoxe Wehrbauern an, die besondere Vergünstigungen erhielten. Zur gleichen Zeit begannen die Habsburger ihrerseits, serbisch-orthodoxe Wehrbauern entlang der instabilen Grenze anzusiedeln. Abgesehen von regulären Feldzügen führte dies in der Konsequenz dazu, daß es die Wehrbauern auf beiden Seiten der sogenannten Militärgrenze waren, die sich gegenseitig bekämpften. Beate Seel,

Ressortleitung Ausland

[...] Die Krajina war keinesfalls nur habsburgisch, sondern im 16. Jahrhundert osmanisch, sie bildete gemeinsam mit den sich ihr nördlich anschließenden Gebieten die verletzliche weiche Westflanke des riesigen Osmanischen Reiches und wurde bereits im 15. Jahrhundert mit Wehrbauern aus serbischsprachigen Gebieten – einen serbischen Staat gab es damals schon nicht mehr – und der Walachei besiedelt, teilweise gehörten diese Wehrbauern dem osmanischen Heer an und waren durch ihren Militärdienst als Christen in einem islamischen Heer von der Haraq – der Kopfsteuer der Nichtmuslime – befreit. Die ursprünglich in die Krajina kommenden Serben und Walachen waren Flüchtlinge aus bereits von den Osmanen eroberten Gebieten. Das habsburgische Reich aber war damals gerade erst in der Aufstiegsphase und erst ab dem ausklingenden 16. Jahrhundert kam es dann zu häufigen Scharmützeln an der osmanischen Westflanke, welche auch mehr oder minder lange territoriale Veränderungen mit sich brachte. Natürlich siedelte auch die habsburgermonarchie mit Steigerung ihrer Macht und Ausweitung ihres Territoriums Wehrbauern an ihrer weichen Südflanke an, diese setzten sich zumeist aus Überläufern aus dem osmanischen Territorium zusammen, sind aber nach Cžaja ethnisch nicht zu definieren, da die österreichische Geschichtsschreibung meist nur verallgemeinernde Begriffe wie „Walachen“, „Morlaken“, „Christen, die sich dem osmanischen Joch entzogen“ verwendete. Die streng katholische Donaumonarchie stand den orthodoxen Serben übrigens keinesfalls freundlich gegenüber; Unterstützung gegen die osmanische Herrschaft fanden die Serben erst im 17./18. Jahrhundert durch das ebenfalls orthodoxe Rußland. Ganz und gar an der historischen Realität vorbei geht die Bemerkung des Herrn Rixner, das Festhalten der Serben an ihrem orthodoxen Glauben wäre lebensgefährlich gewesen, genau das ist falsch: Im Osmanischen Reich gab es keine Zwangsislamisierung, sondern Christen und Juden durften ihre Religion frei praktizieren und konnten sogar in hohe Ämter aufsteigen, zudem kam der osmanischen Regierung die Kopfsteuer für Nichtmuslime, welche als Entgelt für freie Religionsausübung und Befreiung vom Kriegsdienst gezahlt werden mußte, sehr zupaß, es existiert sogar ein Erlaß des Padeschah Selim, Beiname „der Trunkenbold“, worin er einer Gruppe von Juden ausdrücklich die Konversion untersagte. Übrigens flohen viele Juden vor der Inquisition in Spanien ins Osmanische Reich. [...] Kerstin Witt, Berlin