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Ifor läßt Kriegsverbrecher laufen

■ Bosnien-Friedenstruppe wich einem Treffen mit Serbengeneral Mladić aus: „Festnahme erschien uns nicht klug“

Genf (taz) – Die Ifor-Friedenstruppe für Bosnien ist einer möglichen Verhaftung des bosnisch-serbischen Generals Ratko Mladić bewußt aus dem Weg gegangen. Entgegen der bisherigen Darstellung seitens der Ifor haben die bosnischen Serben am vergangenen Samstag die Inspektion eines Waffenlagers in ihrem Hauptquartier in Han Pijesak nicht generell verweigert. Statt dessen, so teilte Ifor- Sprecher John Sylvester gestern in Sarajevo mit, hätten die bosnischen Serben der Ifor-Gruppe gesagt, Ratko Mladić wolle die siebenköpfige Gruppe bei der Inspektion in Han Pijesak, 35 Kilometer nordöstlich von Sarajevo, begleiten. Daraufhin habe die Ifor den Besuch abgesagt.

„Wir antworteten ihnen, daß wir keine Bedingung akzeptieren“, sagte Sylvester. Die Ifor-Gruppe habe zugleich entschieden, daß es „nicht klug“ gewesen wäre, gegen Mladić vorzugehen und ihn zu verhaften. In einem solchen Fall hätten sieben Ifor-Inspektoren gegen „200 bis 300 bewaffnete Männer gestanden, die geschworen haben, ihn zu verteidigen“, sagte Sylvester. Mladić ist vom Tribunal in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagt und wird per internationalen Haftbefehl gesucht. Nach einem tagelangen Konflikt mit den bosnischen Serben hatte der Kommandeur der Ifor-Bodentruppen, Michael Walker, in Begleitung der bosnisch-serbischen Übergangspräsidentin Biljana Plavšić das Waffenlager erst am Dienstag inspiziert.

Der Sprecher von US-Außenminister Warren Christopher, Nicholas Burns, wollte am Rande des Genfer Treffens mit den Präsidenten Bosniens, Serbiens und Kroatiens auf Anfrage der taz nicht eindeutig dementieren, daß die Ifor eine Anweisung der Clinton-Administration haben, zumindest bis zu den bosnischen Wahlen am 14. September unter keinen Umständen mutmaßliche Kriegsverbrecher festzunehmen. Laut ihrem Mandat sollen die Ifor-Soldaten zwar nicht aktiv nach in Den Haag angeklagten Personen fahnden, diese aber festnehmen, wenn sie auf sie treffen. „Dieses Mandat ist seit Einsatzbeginn der Ifor nicht verändert worden“ erklärte Burns und verweigerte die Antwort auf weitere Nachfragen. Ähnlich wie zuvor bereits die Blauhelmsoldaten der Unprofor erhalten aber auch die Ifor- Soldaten, die Walker unterstehen, detaillierte Einsatzrichtlinien, die geheimgehalten werden.

Die Clinton-Administration hatte das Genfer Gipfeltreffen kurzfristig anberaumt, um die Präsidenten Serbiens, Bosniens und Kroatiens zum wiederholten Male öffentlichkeitswirksam zu drängen, Bedingungen für „freie, faire und demokratische Wahlen“ in Bosnien zu schaffen. Nach Ansicht der für die Durchführung verantwortlichen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind diese immer noch nicht erfüllt.

Auf der Tagesordnung in Genf stand auch die „weitere Festigung“ der muslimisch-kroatischen Föderation. Erneut erhielt Christopher nur vage Versprechen von Kroatiens Präsident Franjo Tudjman, die nationalistischen Hardliner unter den bosnischen Kroaten zur Aufgabe ihres Widerstandes gegen die Föderation zu bewegen. Andreas Zumach

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