piwik no script img

Wege zur Pop-Extravaganza

■ Die Stone Roses aus Manchester und Elastica aus London zeigen wohin

Kann sich noch jemand an Rave erinnern? Jene selbstreferentielle Tanz-Maschine, die dem Sektierertum im Underground für einen kurzen Sommer ein Ende setzte und auch unbedarfte Hände erste Batik-Shirts drucken machte? Obwohl die Handvoll Bands aus Manchester, die unter dem Begriff Rave auf eben jene T-Shirts gebatikt wurden, recht heterogen waren und gleich zu Anfang von einer Reihe Trittbrettfahrer von großen Sprüngen abgehalten wurden, hatten Happy Mondays, The Farm, EMF und The Stone Roses doch eines gemeinsam. Alle schalteten sie DJs wie Andrew Weatherall oder Mike Oakenfold, die sich auf Körper und deren Bewegungen verstanden, zwischen ihren Gittarenpop und das Publikum und weiteten so ihren Radius enorm aus. So trafen sich auf dem Höhepunkt der „Rav-o-lution“ 30. 000 Fans auf der Mersey Insel Spike Island um vier schnuffige Jungs mit Pilzkopp und Elefantenjeans unter freiem Himmel abzufeiern. Die vier nannten sich The Stone Roses und hatten 1989 mit dem knapp 10minütigen „Fools Gold“ Rave auf einen hysterisch kreisenden Nenner gebracht. Einen Sommer lang öffnete sich ihnen ein allzu weiter Pophimmel, von dessen Druck sie sich wie alle Bands außer den routinierten Wendehälsen von Primal Scream jahrelang erholen sollten.

Mit Cha Cha Cha meldeten sich gerade EMF (am 5. Mai in der Markthalle) zurück und recht schüch-terntiteln The Stone Roses ihren Zweitling Second Co-ming, der, in Wales aufgenommen, einiges an folkloristischer Harmonik aufsog. Letztere zeigen dabei, wie schon beim Erstling Summer of Love, daß ihnen der federleichte Song wichtiger ist als all den anderen Rave-Bands. Zwischen naiven Schmankerln wie „Ten Storey Love Song“ und „Your Star Will Shine“ und kreuzfidel über den Bass lat-schen-den Polterern wie „Day-break“ und „Breaking Into Heaven“ wachsen aus steinigen Gärten schillernde Popblumen, die allerdings ohne plattenlegende Gärtner kaum mehr in den Clubs blühen werden. Der melancholisch ferne Gesang von Ian Brown tut sein übriges dafür, daß Second Coming allenfalls zu privaten Tanzeinlagen beim Spülen verführt. Mit ihrem zweiten Album erschließen The Stone Roses keine neuen Popkolonien mehr, sie pfeifen nach ihrer langen Schaffenspause aber auch kein lästiges Cash'n'carry.

Cash and carry darf man auch bei den meisten Bands vermuten, die von den englischen Weeklies aufs Cover gehievt werden. Wenn aber John Peel Elastica (siehe Foto) zu einer seiner raren Sessions lädt und sie „all ihren Zeitgenossen, außer The Fall, vorzieht“, dann dürfte da schon eher etwas dran sein an dem Quartett aus London. Obwohl der einzige Mann nur elastisch den Rhythmus geben darf, zielt die Bezeichnung Girl-Punk für die Stranglers-Fans zu kurz, denn da bleiben noch säurehaltige Spurenelemente von The Fall zurück, die sich wiederum kaum mit der doppelten Besetzung der Stimme, die gelegentlich in einen Kanon einfallen, vereinbaren läßt. Überhaupt sind es die sich ergänzenden oder zuwiderlaufenden Stimmen von Justine Frischmann und Donna Matthews, die die harschen Klopper von Elastica aus dem ewig überhitzten englischen Pop-Musikmarkt herausfallen lassen.

Stone Roses: 24. April, Docks, 20 Uhr

Elastica: 25. April, Logo, 21 Uhr

Volker Marquardt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen