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Behördenschlendrian geoutet

■ Hamburger Landesrechnungshof stellt seinen Bericht 1995 vor

Wie Steuergelder undogmatisch entsorgt werden können, macht die Hamburger Sozialbehörde vor: Sechs Jahre versuchte man dort vergeblich, sich mit sich selbst darüber einig zu werden, wie der eine Million Mark teure Rechner mit 25 Arbeitsplätzen eingesetzt werden sollte. Nach gescheitertem Entscheidungsfindungsprozeß wurde das Gerät der Verschrottung zugeführt. Die fiktiven Betriebskosten des nie eingesetzten Rechners gab die Behörde als „Einsparung“ an. Ans Licht der Öffentlichkeit kam die behördliche Ausgaben-Akrobatik durch den 1995er Bericht des Landesrechnungshofes, der gestern von Rechnungshof-Präsident Hermann Granzow vorgstellt wurde.An „Verschwendung, Schlendrian und Leerlauf“ herrscht in der Hansestadt danach nach wie vor kein Mangel. Rund 80 Millionen verplemperte Märker entdeckte die Kommission allein bei seiner „exemplarischen Prüfung“. Dabei müßte eigentlich heftigst gespart werden, um den Hamburger Haushalt zu konsolidieren. Zwar hob Granzow lobend die Sparbemühungen des Senats hervor - rund 600 Millionen bis 1997 -, doch das reiche nicht. Ginge es nach dem Rechnungshof, dürfte der Haushalt zwischen 1995 und 1998 nicht um geplante 2,1 Millionen Mark steigen, sondern nur um 1,6 Millionen.

Der Stadt Hamburg neue Kindertagesplätze zum Nulltarif herbeirechnen - auch das schaffte der Jahresbericht. Laut Granzow fehlen stets 20 bis 30 Prozent der Kids, also könnten angesichts dieser Abwesenheitsquote zehn Prozent mehr Kinder aufgenommen werden (siehe Bericht oben).

Gespart werden könne außerdem bei den Gerichtskosten, die aufgrund verfahrensrechtlicher Formalitäten Unsummen verschlingen. Hier schlägt der Rechnungshof eine Straffung des Strafverfahrens vor, um unsinnige, aber kostenintensive Gerichtstermine zu vermeiden. „Hamburg ist in der Veränderung der Fristenregelung zwischen den einzelnen Verhandlungen bereits mit einer Initiative im Bundesrat aktiv geworden“, gab Justizbehörden-Sprecherin Sabine-Annette Westphalen an.

Auch mit dem schwierigen Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie beschäftigten sich die Rechnungsprüfer. Nach dem Naturschutzgesetz müssen nämlich für „unvermeidbare Eingriffe“ in die Natur „Ausgleichsmaßnahmen“ veranlaßt werden. Das würde aber von der Umweltbehörde nicht „einheitlich umgesetzt“, führe zur „Ungleichbehandlung Betroffener“ und „Einnahmeverlusten für die Stadt“. Außerdem neige die Umweltbehörde zur „Kompromißlosigkeit“ in der Zusammenarbeit mit den anderen Fachbehörden. „Die Behauptungen sind falsch“, kontert Behördensprecher Kai Fabig. „Der Rechnungshof hat das nicht belegt.“

Silke Mertins

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