piwik no script img

Soldaten sind Gärtner!

■ Viele Ausbildungen kommen mit dem Tätigkeitsfeld Umweltschutz in Berührung. Das grüne Etikett wird selbst dann bemüht, wenn in einem konventinellen Beruf ökologische Vergehen vermieden werden

Daß Umweltschutz vor der eigenen Haustür anfängt beziehungsweise Nasen, an die man sich gelegentlich zu fassen aufgefordert wird, ist schon längst zu einer Binsenweisheit geworden. So attestieren wir uns gern ein steigendes Ökobewußtsein, und in vielen Haushalten wird denn auch fleißig Müll getrennt, werden Tapeten aus Altpapier an die Wände geklebt und Umweltkarten der BVG gekauft. Manch einer legt sogar einen Kompost an, achtet beim Waschmaschinenkauf auf den Energieverbrauch und läuft, zwecks Plastikmüllvermeidung, mit seinen privaten Tupperdosen zur Wursttheke.

Das sind alles gutgemeinte Einzelaktionen, aber mit Überblickswissen haben wir es hier kaum zu tun. „Das muß doch professioneller gehen“, werden sich gerade junge Menschen denken und vielleicht eine Berufslaufbahn anpeilen, die es ihnen erlaubt, ihr Wirken ganz in den Dienst der Umwelt und ihrer Erhaltung zu stellen.

So weitgefächert und komplex, wie die Probleme des Umweltschutzes sind, so vielfältig sind die Berufe, deren Tätigkeitsfelder mit ihnen in Berührung kommen. Um die vielschichtigen Wechselwirkungen menschlichen Tuns mit der Umwelt zu verstehen und möglichst verträgliche Formen unseres Umgangs mit der Natur zu finden, ist allerdings ein großes Detailwissen erforderlich. Folglich sind Menschen, die (im weitesten Sinne) im Umweltschutz arbeiten, vor allem „Fachleute mit einem guten Fachwissen aufgrund einer vorausgegangenen beruflichen Qualifikation in einem konventionellen Beruf“, so heißt es in einem Merkblatt der Berufsberatung für Abiturienten und Hochschlüler.

Wer sich also dafür entscheidet, eine Ausbildung im Bereich des Umweltschutzes zu wählen, ist damit noch nicht sehr weit gekommen.

Einen eigenen Studiengang Technischer Umweltschutz bietet in Berlin die TU an – er basiert auf einer ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung, befaßt sich also damit, Umweltprobleme technisch zu lösen. Außerdem kann man sich ein Studienfach aus dem an den Hochschulen konventionell bestehenden Angebot auswählen: Mit dem technischen Umweltschutz befassen sich zum Beispiel auch Studiengänge, an die man zunächst gar nicht denkt, etwa Architektur, Elektrotechnik, Lebensmitteltechnologie oder auch Vermessungswesen.

Neben dem technischen behandeln einige Studienfächer den planerischen Umweltschutz – hier sollen Maßnahmen so geplant werden, daß Schäden an der Umwelt schon im Vorfeld vermieden werden. Das betrifft Bereiche wie Landespflege, Landschaftsplanung oder Verkehrsplanung. Mit dem Erkennen von Funktionszusammenhängen und wechselseitigen Abhängigkeiten in der Umwelt befassen sich Fächer wie Biologie, Fischereiwirtschaft oder Meteorologie.

Und schließlich gibt es auch bei den Soziologen, Politologen, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern immer wieder Seminare und Vorlesungen zu Themen mit Umweltbezug. Bei vielen Fächern ist es allerdings ratsam, sich vorher in der Fachstudienberatung eingehend zu erkundigen, welcher Stellenwert Umweltthemen überhaupt eingeräumt wird – oft rangieren diese unter „ferner liefen“, und es ist nicht möglich, sie als Studienschwerpunkt zu wählen.

Wer nicht studieren will, kann eine praktische Ausbildung machen. Fragen und Probleme des Umweltschutzes sind in die Ausbildungsordnungen vor allem der gewerblich-technischen, der naturwissenschaftlichen beziehungsweise der kaufmännisch/administrativen Berufe aufgenommen worden. Das leuchtet schon deshalb ein, weil praktisch in allen Branchen üble Vergehen gegen das Gebot der Umweltverträglichkeit möglich sind. So sollen auch die Azubis der Drogisten, Feinmechaniker, Fotografen, Zahntechniker, Pharmakanten und Metallzurichter (zum Beispiel Galvaniseur) im Lauf der Ausbildung mehr über ihre Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes lernen – folglich wandern diese und andere Berufe auf die Liste der Tätigkeitsfelder im Umweltschutz, die die Berufberatung zusammenstellt. (Dazu, wie Umweltinhalte in der Praxis vermittelt werden, lese man den Artikel auf Seite 34.)

Und schließlich gibt es die Möglichkeit von Zusatzqualifikationen nach einem Studium beziehungsweise nach einer Ausbildung in Form von Aufbaustudiengängen oder betrieblichen Fortbildungen. Verfügt man erst einmal über ein gesichertes Fachwissen, gibt es oft eine gründliche, darauf zugeschnittene Weiterbildungsmöglichkeit: So können sich beispielsweise Wirtschaftswissenschaftler an der Fachhochschule für Wirtschaft zwei Semester lang in Umweltökonomie fortbilden lassen; Ingenieure, Lehramtsstudierende und Naturwissenschaftler können sich in neun Monaten an der TU mit Energie- und Umweltmanagement befassen; für Erzieher und Betreuerinnen bietet das Haus Rupenhorn einen sechsmonatigen Lehrgang in Ökotechnik beziehungsweise Ökologie an. Und schließlich kann man sogar bei der Bundeswehr nicht nur dem Vaterland, sondern auch Mutter Natur dienen – wir erinnern uns dumpf, daß vor Jahren einmal ein Verteidigunsminister die Bundeswehr den größten Naturschutzverein Deutschlands nannte. Auch hier finden Weiterbildungslehrgänge statt, werden Wasserbauer gebraucht, führen Geologen Altlastuntersuchungen durch und werden im „wehrgeologischen Bereich“ eingesetzt. Zudem werden in letzter Zeit an immer mehr besetzten Häusern Transparente vorgefunden, auf denen in eindringlicher Schrift mitgeteilt wird: „Soldaten sind Gärtner!“

Die Wege zu einer Tätigkeit im Umweltschutz sind also vielfältig und verzweigt, Seiteneinstieg und Fortbildungen sind an der Tagesordnung. Gibt es also keinen direkten Weg in den Ökojob? Oder ist jeder Beruf jetzt irgendwie ein Umweltberuf?

Die Berufsberater attestieren trocken: „Nach Meinung der Öffentlichkeit werden neue Berufsbilder – oder Studienfächer –, die inhaltlich insbesondere auf den Umweltschutz zugeschnitten sind, auch in Zukunft nicht entwickelt oder eingerichtet werden. Es gibt also auch in Zukunft nicht den Beruf des reinen Umweltschützers.“

Wenn unsere Kinder und Kindeskinder auf die immer wieder gern gestellte Frage, „Was willst du denn mal werden?“ mit funkelnden Augen die idealistische Antwort „Umweltschützer!“ geben, was sollen wir unseren Lieben sagen? Vermutlich werden wir sie auf absehbare Zeit noch ernüchtern müssen: „Den Beruf gibt es nicht, Kleines. Warum versuchst du es nicht erst einmal mit Drogist, Soziologe, Zahntechniker oder Galvaniseur?“ Martin Kaluza

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen