Nur ein bißchen Unordnung

■ Mit St. Pauli verliert nicht die schlechtere, sondern die unglücklichere Mannschaft 1:2 gegen Bayern München / Thomforde und Pedersen verletzt

Der Schuldige war schnell entdeckt. „Der Schiri hat uns verpfiffen“, machte Carsten Pröpper, Kapitän des FC St. Pauli, keinen Hehl daraus, wer für ihn die Niederlage zu verantworten hatte: Schiedsrichter Georg Dardenne.

Von ganz ungewohnter Seite bekam der Spielmacher des FC Schützenhilfe. Coach Uli Maslo, der im Trainingslager einen seiner „wichtigsten Spieler“ energisch zur Räson hatte rufen müssen, war mit Pröpper einer Meinung. Er habe zwar den Vorsatz gefaßt, „nichts mehr über die Schiedsrichter zu sagen“. Aber – und da wurde sich der 58jährige schon am ersten Spieltag untreu – „Sobotzik ist umgerissen worden“, und „Pedersen wurde von Klinsmann gefoult. Er hätte die Rote Karte verdient gehabt.“ Beides hatte der Unparteiische aus Nettersheim anders als der Fußballlehrer gesehen oder nicht entsprechend geahndet – sechs, setzen, Versetzung ausgeschlossen.

Ganz so weit wollten die Fans des FC St. Pauli nicht gehen, doch auch sie hatten den FIFA-Schiedsrichter vom Niederrhein auf dem Kieker. „Ohne Schiri habt ihr keine Chance“, skandierte die gesamte Ostkurve, die gutgefüllt war. Fast 46 000 Zuschauer waren insgesamt gekommen – der befürchtete Boykott war ausgeblieben. Über eine Million nahm der FC ein: Am Millerntor wäre es nicht einmal die Hälfte gewesen. Da mochten es manche fast ertragen, daß beim obligatorischen „You'll Never Walk Alone“ fleißig mitgeklatscht wurde.

Harmonisch war es also, schließlich war man sich einig, daß man in einer gerechteren Welt nicht verloren hätte. „Ein sehr guter Saisonstart“, lobte Maslo, der zwar „ein bißchen traurig“ war, ansonsten aber meinte, daß seine Mannschaft „ihr Potential voll ausgeschöpft“ hätte. Sie habe sich nicht von den „Nörgeleien im Umfeld“ irritieren lassen.

Dafür war sie nach dem gehirnerschütterungsbedingten Ausfall Tore Pedersens entscheidend unsortiert. Maslo („das Spiel war teilweise rustikal“) wollte lediglich „ein bißchen Unordnung“ gesehen haben, doch die reichte, daß aus Drillers Führungstreffer der 1:2-Rückstand wurde. Basler, „Weltklasse“, wie das halbe Stadion meinte fabulieren zu müssen, plus Rizzitelli – macht drei Punkte für den FCB und St. Pauli ein ruhiges Gewissen: Quasi-göttlichen Mächten zu unterliegen ist keine Schande.

Das sah auch Präsident Heinz Weisener so, der die Saison eröffnet hatte. „Ich bin stolz auf die Mannschaft. So spielt kein Absteiger“, verkündete Papa Heinz, der „seinen Kindern“ vor dem morgigen Spiel in Bielefeld noch einmal Mut zusprechen wollte. Das tat auch Giovanni Trappatoni, Trainer der in der zweiten Hälfte uninspiriert kickenden Bayern. „Für mich war das Spiel schön gewesen. Auch St. Pauli hat ein schönes Spiel gespielt“, gab sich der Italiener als vollendeter Charmeur. Wer gewonnen hat, kann leicht Komplimente machen. cleg/dpa FC St. Pauli: Thomforde (40. Böse) – Dammann – Pedersen (37. Sobotzik), Eigner – Hanke, Trulsen, Gronau – Driller, Pröpper, Springer – Scharping (70. Emerson)

FC Bayern München: Kahn – Strunz, Matthäus, Helmer, Ziege – Basler (75. Witeczek), Nerlinger, Hamann, Scholl (75. Jancker) – Klinsmann, Rizzitelli (65. Zickler) Schiedsrichter: Dardenne (Net-tersheim) Zuschauer: 46.000 Tore: 1:0 Driller (19.), 1:1 Rizzitelli (35./Kopfball), 1:2 Basler (37./direkt verwandelter Freistoß)