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Zahlenmanipulation senkt Ozonwerte

■ Neues Meßverfahren für Reizgas Ozon registriert „systematisch zehn Prozent niedrigere“ Belastung als früher. Auch an heißen Sommertagen gibt es damit kaum noch Überschreitungen der Grenzwerte

Niedrige Ozonwerte – saubere Luft. Diese Gleichung muß nicht stimmen. Denn die Berliner MeteorologInnen verwenden ein neues Verfahren zur Messung von Ozon in der Außenluft. Damit stellen sie durchweg niedrigere Werte des gefährlichen Reizgases fest als früher. Wenn in der Vergangenheit an heißen Sommertagen vor Ozon gewarnt wurde, gilt dieselbe Belastung heute als ungefährlich.

Während die Berliner Meßgeräte früher mit einem chemischen Verfahren geeicht wurden, verwendet man jetzt eine physikalische Methode. „Dadurch fallen die gemessenen Ozonkonzentrationen systematisch zehn Prozent niedriger aus“, sagt Meteorologe Martin Lutz von der Senatsumweltverwaltung.

Ein Beispiel: Wenn früher 180 Mikrogramm (millionstel Gramm) Ozon pro Kubikmeter Außenluft festgestellt wurden, registrieren die Geräte heute nur noch rund 162 Mikrogramm. Weil der Grenzwert von 180 also nicht überschritten wird, brauchen die Behörden die Bevölkerung auch nicht zu warnen. Asthmakranke, alte Menschen und Kinder begeben sich ahnungslos in Gefahr.

Im Jahr 1995 überstieg die mit dem neuen Verfahren gemessene Ozonkonzentration an 11 Tagen die Grenze von 180 Mikrogramm. Nach dem alten Verfahren dagegen hätte die Luftüberwachung 17 Ozontage festgestellt, hat Meteorologe Lutz errechnet. Auch Verkehrseinschränkungen oder gar Fahrverbote für Autos werden damit noch unwahrscheinlicher, als sie es aufgrund der laschen Gesetzesvorschriften ohnehin schon waren. Als im vergangenen Jahr mit der neuen Methode 229 Mikrogramm Ozon gemessen wurden, rollte der Verkehr ungestört weiter. Auf Basis der alten Methode war aber die 240-Mikrogramm- Grenze schon längst überschritten. Über dieser Marke schreibt das bundesweite Ozongesetz eine Einschränkung des Autoverkehrs vor. Wegen der neuen Berechnungsmethode fiel das Fahrverbot aus.

Mit der europaweiten Einführung des neuen Meßverfahrens haben sich die wirtschaftsfreundlichen BürokratInnen der Europäischen Union durchgesetzt. Wie andere Bundesländer mußte Berlin seine Apparaturen gezwungenermaßen umstellen. Ohne größere Aufmerksamkeit zu erregen, wird das schlappe Meßverfahren bereits seit dem 1. Januar 1995 praktiziert.

Trotz Meßmanipulation und im Bundesgesetz festgelegter, meist unwirksamer Grenzwerte sieht Greenpeace-Experte Karsten Smid eine Handlungsmöglichkeit für die Bundesländer. Mit einer Verordnung könnte Berlin schon bei 180 Mikrogramm Ozon ein Tempolimit für Autos vorschreiben. Damit lasse sich die mit dem Eichverfahren verbundene Erhöhung der zulässigen Ozonbelastung ausgleichen. Obwohl Berlins Umweltsenator Peter Strieder (SPD) diese Forderung unterstützt, gibt es bislang keine Verordnung zum Tempolimit. Gemeinsam mit anderen LänderministerInnen beschränkt sich Strieder darauf, in Bonn auf die Änderung der Grenzwerte des Ozongesetzes zu dringen. Hannes Koch

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