: Ungenaue Ecstasy-Statistik
■ Nur zwei der fünf „Ecstasy-Toten“ in diesem Jahr starben an der Partypille. Polizei führt Amphetaminderivat nicht extra auf
Fünf Ecstasy-Tote, darunter eine Frau, hat die Landesdrogenbeauftragte Elfriede Koller im ersten Halbjahr 1996 gezählt. Doch die von der Polizei erstellte Statistik der Todesursachen ist ungenau: Nur zwei Tote sind ausschließlich an Ecstasy-Pillen gestorben. Bei zwei weiteren Toten war der Mischkonsum von Drogen tödlich: Einer starb an Amphetamin und Kokain, ein anderer an Amphetamin und Heroin. Der fünfte Tote verstarb an Amphetaminen. Als Amphetaminderivat wird Ecstasy bislang nicht getrennt in der Statistik aufgeführt. „Das ist nicht präzise“, räumt auch Elfriede Koller ein. Die Polizei will Ecstasy künftig gesondert aufführen. „Dessen Bedeutung hat erst jetzt zugenommen“, sagt eine Polizeisprecherin über die Pillen, die seit über zehn Jahren in der Dancefloor-Szene eingeworfen werden.
Mit den Todesmeldungen „soll Ecstasy schlechtgemacht werden“, argwöhnt Drogenberater Helmut Ahrens von Eve & Rave. Die unabhängigen Drogenberater des Vereins leisten in den Clubs Aufklärungsarbeit und werden wegen ihres drogenakzeptierenden Ansatzes von staatlichen Stellen kritisch beäugt. Derzeit suchen sie Geldgeber für ihre aktualisierte Safer-Use-Broschüre.
Auch die vier sogenannten Exstasy-Toten des vergangenen Jahres starben an einem Drogen- Cocktail. Bei Andreas S., der zum ersten Ecstasy-Toten Berlins erklärt wurde, wurde eine leere Poppersflasche gefunden. Zudem litt er an einer Herzerweiterung und einem labilen Kreislauf. „Ecstasy und Poppers sind eine gefährliche Mischung, die zum Kreislaufkollaps führen kann“, warnt Ahrens.
Auffällig ist weiter, daß hinter zwei der fünf Todesfälle diesen Jahres Selbstmordabsichten steckten. Auch im vergangenen Jahr ging die Polizei bei zwei der vier „Ecstasy-Toten“ von Selbstmord aus. „Vorsätzliche Selbstmorde mit Ecstasy sind untypisch“, meint allerdings Ahrens. Bei Langzeit- Usern träten aber oft Depressionen auf, soziale Kontakte gingen verloren.
Die Landesdrogenbeauftragte ist von der Zunahme des Ecstasy- Konsums unter Jugendlichen alarmiert. Einer neuen Untersuchung zufolge haben 13,4 Prozent der 15- bis 17jährigen schon mal Ecstasy genommen. Bei den 18- bis 24jährigen sind es sogar 15,2 Prozent. Damit ist Ecstasy nach Haschisch, das von 18 Prozent ausprobiert wurde, die zweitpopulärste Droge. Längst ist Ecstasy-Konsum nicht mehr auf die Techno-Szene beschränkt, sondern hat den Weg in die Jugendszenen gefunden. Dazu kommt, daß die Pille jetzt viel billiger zu haben ist: Waren es vor zwei Jahren noch 30 Mark, sind es jetzt zwölf.
„Es hat im vergangenen Jahr nochmals eine Einstiegswelle gegeben“, stellt Ahrens von Eve & Rave fest. Nicht zuletzt läge das auch an den gehäuften Medienberichten. Während die Polizei für Berlin von 5.000 Konsumenten ausgeht, schätzt Eve & Rave, daß 15.000 Leute regelmäßig die Droge nehmen. „Aber der Zenit ist überschritten“, so Ahrens. Die Zahl der Ecstasy-Konsumenten gehe schon wieder zurück. „Die meisten nehmen das zwei, drei Jahre lang und hören dann auf.“ Dorothee Winden
Eve & Rave: Tel. 2172916
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