Staatsanwälte auf Beutezug in Redaktionen

■ Ungebetene Gäste bei der Bremer taz und anderen Medien: Gesucht wird ein Behördenpapier. Gefunden wird nichts. Opposition protestiert: „Einschüchterung“

Bremen (taz) – Gestern morgen bekamen gleich fünf Bremer Redaktionen Besuch: Die Staatsanwaltschaft durchsuchte die Bremer taz, den Weser-Kurier, Bremer Nachrichten, Weser-Report sowie „Buten & Binnen“, das TV-Regionalmagazin von Radio Bremen. Außerdem fielen die Beamten in drei Privatwohnungen ein. Grund: Die Staatsanwälte suchten ein internes Behördenpapier, das vor einigen Wochen in Bremen für Wirbel gesorgt hat. In diesem Papier des Landesrechnungshofes war der Chef der Bremer Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann, wegen seines Finanzgebarens in seiner Zeit als zweiter Mann im Bildungsressort heftig angegangen worden. Nachdem das geheime Papier der Presse zugespielt worden war, hatte der Präsident des Rechnungshofes, Hartwin Meyer Arndt, Strafantrag gestellt. Gefunden wurde gestern nichts Verwertbares. Pikant an der Aktion: Der Justizsenator, an dessen Weisungen die Staatsanwaltschaft gebunden ist, heißt Henning Scherf und ist Bremer Bürgermeister – der direkte Vorgesetzte des vom Rechnungshof angegriffenen Reinhard Hoffmann. Und der Bildungssenator zu Hoffmanns Zeit im Bildungsressort hieß ebenfalls Scherf.

Der will aber von der Durchsuchungsaktion vorher nicht informiert worden sein. „Wir sind auch von der Nachricht überrascht worden“, sagte eine Scherf-Sprecherin. Dabei waren die Redaktionen offensichtlich die ersten Objekte staatsanwaltschaftlicher Begierde. „Ich hatte erwartet, daß die Staatsanwaltschaft Beamte befragt und möglicherweise auch vereidigt“, sagte der Rechnungshof-Präsident gestern. Doch genau das ist nicht passiert.

Die Oppositionsfraktionen in der Bremer Bürgerschaft von Grünen und Arbeit für Bremen protestierten scharf gegen den „Einschüchterungsversuch“. Für die Bremer taz war es schon die zweite Durchsuchung innerhalb eines guten Jahres. Im letzten Sommer hatte das Bundeskriminalamt seine Truppen in Marsch gesetzt, um ein Bekennerschreiben der „Roten Zora“ aufzutreiben. Gefunden wurde auch damals nichts. Jochen Grabler