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Gut entlarvt

■ Angela Guerreiro beim Sommertheater

Zuerst pulsiert es nur schwach, das rote Licht. Aus dem schwarzen Nichts fließt es an den Anzugfalten eines Unbekannten entlang. Langsam bündelt sich das Rot – rechts, links – zu zwei Herzen, die – rechts, links – aus einem Anzug pochen. Farbe hat der jemand schon bekannt, sie blinkt sich hoch bis zum Kopf und schockt: rechts, links, rechts, ein Profil und hundert Gesichter. Unzählige Bastard Memories muß Angela Guerreiro gehabt haben, als sie ihr neues Soloprogramm für das Sommertheater–Festival Hamburg erarbeitet hat.

Die portugiesische Tänzerin und Choreografin, die bereits im vergangenen Jahr auf Kampnagel Aufsehen erregt hat, zeigt ihren Körper diesmal als androgyne Hülle. Wie ein Boxbeutel baumelt, zuckt und schlägt er unter dem U-Bahnlärm, Straßenradau, hastigen Schritten aus. Der Kopf tickt mechanisch wie ein Metronom zu dem monotonen Klopfen. Scheinbar unendlich lang.

Dabei sitzt Angela Guerreiro im Schneidersitz auf dem Boden. Ein akustischer Schlag zwingt sie zu Boden, zurück zum Embryo, der sich langsam zu entfalten beginnt, Peng! Aus ihrer eigenen Hand kam der Kopfschuß. Sie zuckt wie ein erstochenes Tier.

Empfindsam und eindrucksvoll haben Guerreiro und der Komponist Hendrik Lorenzen Geräuschflut und Eindrucksspots von heute umgesetzt. Wie ein drohend lauter Traum im Halbschlaf des U–Bahn–Getöses schraubt man sich als Zuschauer immer tiefer in Klangfarben und Körperformen. Zum Schluß zieht sich der Körper aus. Nacktes Erwachen. Gerade war doch noch ohrenbetäubendes Lachen ohne Laut, blitzartig umspringend in eine taube Alltagsmiene. Sie haben den Menschen entlarvt. Vielleicht viel zu gut.

kat/Foto: Markus Scholz

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