piwik no script img

Knallbonbon zum Geburtstag

Pädagogisches Konzept bleibt auf der Strecke: Amt für Jugend kürzt Stellen im Kinderhaus Heinrichstraße / Gefeiert wird trotzdem  ■ Von Patricia Faller

„Als Geschenk zum 20jährigen Bestehen gibt's ein Knallbonbon von der Behörde.“ Die pädagogische Heimleiterin des „Kinderhauses in der Heinrichstraße“, Gabi Heuwer, ist empört. Anfang August kündigte das Amt für Jugend an, daß der Stellenplan des selbstverwalteten Kindertagesheims um 4,8 Stellen gekürzt werden muß. Nicht etwa ab sofort, sondern rückwirkend ab dem 1. Juli 1995. Gleichzeitig wurden die laufenden Zahlungen ab August um knapp 50 Prozent zurückgefahren.

Für das 1976 gegründete Kinderhaus bedeuten die radikalen Sparmaßnahmen entweder den „finanziellen oder den pädagogischen Konkurs“, sagt Gabi Heuwer. Sollte die rückwirkende Stellenkürzung realisiert werden, stünde der Verein vor einem Schuldenberg von 350.000 Mark und müßte dichtmachen. 77 Kinder hätten ab sofort keine Betreuung mehr, 21 MitarbeiterInnen keinen Arbeitsplatz. „Bei einem Anteil von rund 55 Prozent alleinerziehender Eltern liegen die katastrophalen Auswirkungen auf der Hand“, beschreibt Gabi Heuwer die Situation.

„Wir haben ein Interesse daran, daß das Kinderhaus bestehen bleibt“, sagt der stellvertretende Leiter des Amtes für Jugend, Jürgen Näther, nach ersten Gesprächen mit der Ganztagseinrichtung. Nachdem sich das Kinderhaus gegen die rigorosen Forderungen aus seinem Hause gewehrt hatte, erklärte er die Angelegenheit zur Chefsache und überzeugte sich selbst von der existenzbedrohenden Situation.

Die Behörde werde auf die rückwirkenden Forderungen verzichten und die jetzigen Kürzungen so dosieren, daß die Kinderbetreuungseinrichtung weiterbestehen kann. Doch längerfristig müsse der Träger seine personelle Ausstattung, die laut Näther 25 Prozent über der anderer liege, an die üblichen Standards anpassen – üblicherweise betreut in Ganztagseinrichtungen im Schnitt einE MitarbeiterIn acht Kinder.

Diese aus Sicht des Amtes „bei weitem überhöhte Personalausstattung“ wurde dem Verein 1989 nach einem 13 Jahre andauernden Streit bis 1995 zugesichert. „Weil die Zahlungen auch danach weiterliefen, wie bisher, haben wir darauf vertraut, daß sich nichts ändert“, sagt die pädagogische Heimleiterin Heuwer. Laut Behörde habe man den Träger allerdings bereits vor einem Jahr darauf aufmerksam gemacht, daß er sein Personal reduzieren müsse. Dieser Forderung sei der Kinderhaus e.V. aber nicht nachgekommen, so Nähter.

Der Verein will rechtliche Schritte prüfen, um den Personalschlüssel zu halten. Denn: „Für unser emanzipatorisches Konzept brauchen wir mehr Personal“, sagt Gabi Heuwer. Um den Anspruch zu erfüllen, die Kinder zu selbstbewußten und kritischen Persönlichkeiten und zu einem solidarischen Umgang miteinander zu erziehen, beinhaltet die Arbeit auch interkulturelle Ansätze, Mädchen- und Jungenpädagogik oder Sucht- und Mißbrauchsprävention.

Trotz alledem wird am 31. August ab 15 Uhr erst einmal Jubiläum gefeiert mit einem Straßenfest und einer Party im Kinderhaus.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen