: Bacteria become seasick
■ betr.: „Fische und Algen atmen in Rhein und Elbe auf“, taz vom 14.8. 96
Ohne Zweifel hat sich die Gewässergüte in den deutschen Flüssen deutlich gebessert. Dieses (Eigen-)Lob der Bundesregierung ist jedoch nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte hat die Bundesregierung bei der Vorstellung des Jahresberichts der deutschen Wasserwirtschaft den Journalisten wohlweislich verschwiegen: Mit den herkömmlichen Verfahren der Abwasserreinigung können nur die Substanzen mit gutem Wirkungsgrad abgebaut werden, die den Bakterien in den Kläranlagen munden. Um viele Substanzen, die wir dem Einfallsreichtum unserer Chemiker zu verdanken haben, machen die Bakterien aber einen großen Bogen. An den biologisch schwer abbaubaren Stoffen würden sich die Bakterien den Magen verderben. Da dieser Giftkram also in den Kläranlagen nicht vollständig abgebaut werden kann, wird er als sogenannte „Restverschmutzung“ über die Kläranlagenabläufe weiterhin in unsere Flüsse geschwemmt. Wie jüngste Untersuchungen der Universität Bern gezeigt haben, hat es der Schadstoffcocktail im geklärten Abwasser immer noch in sich: Die Leber der Fische in den Flußabschnitten unterhalb von Kläranlagenabläufen wird derart geschädigt, daß die Fische aufgrund der geschwächten Abwehrkraft von Pilzkrankheiten dezimiert werden. Und Untersuchungen der Wasserwerke in Mainz haben gezeigt, daß die undefinierbare Mixtur „Restverschmutzung“ im Rhein immer noch so giftig ist, daß die Enzymaktivität der Mikroorganismen im Rhein merklich gehemmt wird. Eine wirkliche Gesundung unserer Flüsse ist erst zu erwarten, wenn durch Verfahrensumstellungen in Industrie und Gewerbe die schwer abbaubaren Schadstoffe gar nicht mehr ins Abwasser gelangen. Mit der jetzt anstehenden 6. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz hätte die Bundesregierung hier für Abhilfe sorgen können. Die „Restverschmutzung“ hätte dann nach dem fortschrittlichen Stand der Technik vermieden werden müssen. Das Bundeswirtschaftsministerium und die bayerische Staatskanzlei haben den Novellenentwurf aber derart aufgeweicht, daß mit einer merklichen Reduzierung der Abwassergifte kaum noch gerechnet werden kann. [...] Es steht allerdings zu befürchten, daß nicht nur die immer noch zu hohe „Restverschmutzung“, sondern auch die Bonner Gewässersch(m)utzpolitik den Fischen weiterhin auf die Leber schlagen wird. Dipl.-Biol. Nikolaus Geiler,
BBU, Freiburg
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