: Einzelhändler wollen manipulierte Bohne nicht
■ Handel kämpft bei der EU für Kennzeichnung – Boykottdrohung gegen US-Soja
„Egal ob nun ein oder zwei Prozent, wenn die Amerikaner es gewollt hätten, wäre es auch möglich, die Sojabohnen schon bei der Ernte zu trennen.“ Klaus Warzecha, Geschäftsführer beim Bundesverband des Lebensmitteleinzelhandels (BVL), ist sauer.
Der Handel sei nicht gegen die Gentechnik, „wir wollen aber, daß der Markt entscheidet“. Und dazu gehöre nun mal eine Kennzeichnung von gentechnisch hergestellten Produkten. Die Einzelhändler sind besonders betroffen, sie stehen im direkten Kontakt mit den KundInnen. Bei jedem Skandal sind sie die ersten, die das Mißtrauen der VerbraucherInnen zu spüren bekommen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß sich der Einzelhandel schon seit längerem in Brüssel für eine umfassende Kennzeichnung von gentechnisch hergestellten Nahrungsmitteln einsetzt. Er lehnt die halbherzigen Vorschläge des Europäischen Parlaments ab, die bei der geplanten Novel-Food-Verordnung nur dann eine Kennzeichnung vorsehen, wenn die Zusammensetzung des Endprodukts auch chemisch verändert worden ist. Einzelne Unternehmen sind noch weiter gegangen. Sie haben sich von ihren Lieferanten schriftliche Garantien ausstellen lassen, daß die Waren nicht mit Hilfe der Gentechnik hergestellt worden sind. „Diese Forderung kann doch heute keiner mehr guten Gewissens unterschreiben“, meint Warzecha, „denn die Hersteller wissen doch selber nicht Bescheid.“
Auch die coop Schleswig-Holstein, mit über 200 Filialen und einem Jahresumsatz von rund 2 Milliarden Mark eines der großen Einzelhandelsunternehmen, hatte sich für eine Kennzeichnung stark gemacht. Einem gemeinsamen Aufruf von 1994, unterzeichnet von zahlreichen Einzelhandelsketten, der eine Kennzeichnung forderte, hatte die „Zentrale Koordinationsstelle“ für coop, Plaza, Wandmaker und Sky noch den Zusatz hinzugefügt: „Wir lehnen grundsätzlich den Handel mit genmanipulierten Produkten ab und werden diese auf keinen Fall unseren Kunden anbieten.“ Doch nach der Ankündigung, daß die Sojabohnen im Herbst kommen, macht sich Resignation breit. „Wenn beim Soja alle mitmachen, bleibt uns auch nichts anders übrig“, meint der Pressesprecher von coop Schleswig-Holstein, Jürgen Grabowsky.
Bei den Lebenmittelproduzenten ist man mit Stellungnahmen vorsichtiger. Wie verabredet heißt es dort: „Wir halten uns an die gesetzlichen Vorgaben.“ Weitaus energischer tritt da der Europäische Verband der Groß- und Einzelhandelsbetriebe, Eurocommerce, auf. Der Verband, der nach eigenem Bekunden ein Drittel aller europäischen Unternehmen repräsentiert, will in letzter Sekunde noch verhindern, daß im Herbst die ersten Lebensmittel mit Bestandteilen aus den genmanipulierten Sojabohnen ungekennzeichnet in die Geschäfte kommen. In einem Brief an die American Soybean Association macht er sich stark für das Recht der Verbraucher auf Informationen.
Er fordert eine „sichere Trennung gentechnisch veränderter Rohmaterialien“, damit eine „vollständige und wahrheitsgemäße Kennzeichnung“ aller Lebensmittel erfolgen kann. Das Vorgehen des Verbands ist nicht ganz uneigennützig, befürchtet er doch eine starke Beunruhigung der Kunden seiner Mitgliedsunternehmen. Selbst einen Lebensmittelboykott will er nicht ausschließen.
Auch der britische Einzelhandelsverband British Retail Consortium (BRC) wehrt sich gegen die Gentech-Bohnen. Janet Nunn, als Direktorin bei BRC für den Bereich Lebensmittel und Getränke zuständig, verweist auf die positiven Erfahrungen der beiden Supermarktketten Safeway und Sainsbury mit dem deutlich als „gentechnisch modifiziert“ gekennzeichneten Tomatenpüree.
Für den BRC hat die freie Wahl des Kunden höchste Priorität. Aus diesem Grund, so Nunn, „ist es unakzeptabel, daß die gentechnisch modifizierten mit den konventionellen Bohnen vermischt“ werden. Ihre Drohung ist unmißverständlich: Sollte im Herbst bei der Soja- Ernte in den USA keine vollständige Trennung erfolgen, so werde man nicht unvorbereitet sein, um Alternativen zu dem Gentech-Soja zu suchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen