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Heute tagt die Sachverständigen-Kommission der Bundesregierung. Zur Debatte steht die große Steuerreform. Für alle sollen die Steuern sinken, aber die kniffligste Frage ist: Welche Privilegien werden gestrichen, um den Ausfall auszugleichen

Heute tagt die Sachverständigen-Kommission der Bundesregierung. Zur Debatte steht die große Steuerreform. Für alle sollen die Steuern sinken, aber die kniffligste Frage ist: Welche Privilegien werden gestrichen, um den Ausfall auszugleichen?

Angst vor dem Aufstand der Lobbies

Zuerst die gute Nachricht: Die Einkommensteuer soll vereinfacht werden, die Steuersätze sinken, und Abschreibungen für Hochverdiener werden abgebaut. Soweit die Versprechungen von Regierungspolitikern zu einer umfassenden Steuerreform, die, so Finanzminister Theo Waigel (CSU), frühestens ab 1999 kommen wird. Jetzt die schlechte Nachricht: Alle, auch ArbeitnehmerInnen, sollen bluten. Der Streit darüber, wer am Ende für die Steuerreform zahlen muß, hat begonnen.

Heute tagt die 16köpfige Steuerreform-Kommission der Regierung in Bonn. „Der Knackpunkt ist der Abbau von Steuervergünstigungen“, sagt Andrea Fischer, sozialpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, „da geht es um Privilegien, aber eben auch um die Frage der Gerechtigkeit.“

Die Idee der Reform ist schnell erklärt: Bisher zahlen Niedrigverdiener 25,9 Prozent, Höchstverdiener bis zu 53 Prozent Einkommensteuer, ohne Solidaritätszuschlag. Werden diese Steuersätze auf 20 bzw. 40 Prozent gesenkt, müssen zwar alle weniger an den Fiskus berappen. Aber die Steuerausfälle belaufen sich auf satte 80 Milliarden Mark im Jahr. Würde man die Mehrwertsteuer um zwei Punkte auf 16 Prozent erhöhen, kämen zwar 30 Milliarden in die Kassen. Das wäre aber nicht genug und würde zudem die Hochverdiener weniger belasten. 50 Milliarden müssen zusätzlich her. Aber wie? Die Sachverständigen- Kommission unter Vorsitz des Steuerexperten Peter Bareis legte vor zwei Jahren eine Streichliste vor, mit 85 Punkten. Diese Liste ist brandaktuell und enthält jede Menge sozialen Sprengstoff. Denn in dem Papier wird sowohl die Besteuerung von Immobilienverkäufen vorgeschlagen als auch die steuerliche Belastung von Arbeitslosengeld und Renten. Die Hauptlast sollten aber jene tragen, die von den Steuersenkungen am meisten profitieren: Besserverdienende und die Wirtschaft. Dies fordern die Grünen und die SPD und auch der Arbeitnehmerflügel der CDU/CSU.

Viele Vorschläge auch aus der Bareis-Liste betreffen die Besserverdienenden. So sollen private Gewinne aus Firmen- und Immobilienverkäufen vom Fiskus stärker belastet werden. Andere Pläne sehen vor, die Abschreibungssätze für den Wohnungsbau in den ersten Jahren weiter abzusenken. Diese Streichungen bringen sieben Milliarden Mark. Sie wären gerecht: Die günstigen Häuserdeals und die Abschreibungssätze führen schließlich dazu, daß Gutverdienende eher Immobilien kaufen und abschreiben, als den Spitzensteuersatz zu zahlen. Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) errechnete, daß Hochverdiener in der Praxis statt des Spitzensatzes von 53 Prozent höchstens 38 Prozent abgeben.

Die Kürzung von steuerlichen Vergünstigungen ist aber letztlich nichts anderes als das Streichen von Subventionen. Das ruft nicht nur den Protest der direkt Betroffenen hervor. Als zum Januar die Abschreibung für Mietwohngebäude in den ersten Jahren von sieben auf fünf Prozent gesenkt wurde, beklagten auch der Deutsche Mieterbund und die IG Bau den „Einbruch beim Wohnungsbau“. Und die IG Metall protestiert gegen die bereits eingeführte höhere Besteuerung privat genutzter Dienstwagen. Sie befürchtet Arbeitsplatzverluste in der Automobilindustrie.

Die Kürzungen bei den Besserverdienenden reichen nicht aus für die Finanzierung einer Steuerreform. Knackpunkt sind daher die Streichungspläne bei ArbeitnehmerInnen. Sie bedeuten für viele Beschäftigte wegen der niedrigen Steuersätze nicht unbedingt eine höhere Belastung. Einzelne Gruppen müßten jedoch bluten. Auf der Streichliste steht beispielsweise die Besteuerung von Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschlägen, die SchichtarbeiterInnen benachteiligen würde. Auch Arbeitslosengeld und -hilfe sollen mit Steuern belastet werden. Erwerbslose mit einem Arbeitslosengeld über dem Existenzminimum träfe es am härtesten. Heiß umstritten ist auch die Senkung des Kilometergeldes. Zu leiden hätten die Pendler.

Der kniffligste Punkt in der Bareis-Liste aber ist die Besteuerung von Renten und die Abschaffung der Versorgungsfreibeträge für Beamten-Pensionäre. Das brächte zwar 12 Milliarden Mark in die Staatskassen. Um eine Doppelbesteuerung der Beiträge zur Rentenversicherung und Altersvorsorge zu vermeiden, müßten diese aber steuerlich voll abzugsfähig sein. Da dies gegenwärtig nicht der Fall ist, können die heutigen Rentner nicht zur vollen Besteuerung herangezogen werden. „Da stellt sich das Problem einer Übergangsfrist“, seufzt Andrea Fischer. Barbara Dribbusch

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