: Janknecht untersuchen -betr.: Durchsuchungen
Betr.: Durchsuchungen
Es reicht nicht aus, wenn Sie sagen, Herr Janknecht sei ein „unkontrolliertes Sicherheitsrisiko“, oder ein „Autist“ oder einer, der „durchgeknallt“ sei. Solche Formulierungen mögen Ihre und unsere Erregungen dämpfen, aber sie führen in der Sache nicht weiter.
Was wir wissen müssen, ist etwas anderes. Herr Janknecht ist ein verantwortlich Handelnder. Wir müssen daher wissen, warum er so gehandelt hat, wie er gehandelt hat. Dazu reichen seine eigenen Angaben nicht aus. Stattdessen müssen wir wissen, welche kognitiven und emotionalen Gesellschaftsdeutungen seinem Handeln zugrunde liegen.
Was für ein Verhältnis hat er zu staatlicher Gewalt? Wie interpretiert er die Aufgaben seines Amtes? Was hält er von der „dritten Gewalt“, zu der er nicht gehört? Wie sieht er das Verhältnis von demokratischer Herrschaft und Verwaltung im Alltag? Was hat er für eine Vorstellung von der Loyalität von Beamten? Wie interpretiert er das staatliche Geheimnis und den Geheimnisverrat? Was hat er für eine Einstellung zu den Freiheits- und Informationsrechten der BürgerInnen, insbesondere zur Presse? Wie sieht er das Verhältnis von staatlicher Gewalt und Parteiendemokratie? Welche Bedeutung mißt er parteipolitischer Loyalität zu?
Diese und andere Fragen müßten beantwortet werden. Wenn diese Aufgabe Sie überfordern würde, sollte man damit einen Soziologen der Universität beauftragen. Ich bin sicher, daß Herr Janknecht sich für ein Forschungsinterview zur Verfügung stellen würde; hätte er doch die Möglichkeit, sich in ruhiger und abgeschirmter Atmosphäre darzustellen, was ihn allerdings nicht davor schützen würde, daß die Deutung seiner Antworten nicht immer für ihn sprechen muß.
Wilke Thomssen, Professor der Bremer Universität
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen