: Zweiten Arbeitsmarkt dauerhaft erhalten
■ Bündnis 90/ Die Grünen warnen vor Kürzungen bei AB-Maßnahmen. Wegfall von 600 Mio. Mark für die soziale Infrastruktur bedeutet auch 50.000 Erwerbslose
„Katastrophale Auswirkungen“ für den Arbeitsmarkt, den Landeshaushalt und soziale Projekte vor allem im Ostteil der Stadt befürchten Bündnis 90/ Die Grünen durch die von der Bundesregierung im Rahmen des „Sparpakets“ vorgesehene Reduzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Der zweite Arbeitsmarkt dürfe nicht abgeschafft werden, erklärten die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Sibyll Klotz, und Franziska Eichstädt-Bohling, Grünen- Abgeordnete im Bundestag, als Ergebnis eines „Ratschlags“ mit Vertretern von ABM-Trägern, Umschulungsprojekten und Beschäftigungsgesellschaften.
Für den lokalen Arbeitsmarkt bedeuteten die geplanten Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) mindestens 50.000 zusätzliche Erwerbslose, erklärte Sibyll Klotz.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der derzeit im Bundestagssozialausschuß beraten wird, sieht vor, daß ABM und Fortbildungs- und Umschulungsprogramme in Ostdeutschland innerhalb der nächsten vier Jahre auf das westdeutsche Niveau reduziert werden. Für Berlin würde dies nach Angaben von Klotz den Wegfall von rund 600 Millionen Mark an Mitteln aus den Töpfen der Bundesanstalt für Arbeit bedeuten. Mittel, auf die viele Sozialprojekte angewiesen sind und für die das Land angesichts der desolaten Haushaltslage kaum einen Ausgleich schaffen könnte. Nach wie vor würden 90 Prozent aller sozialen, kulturellen und Jugendangebote im Ostteil der Stadt aus Arbeitsmarktmitteln bestritten, und durch den Wegfall der Mittel existenziell bedroht.
Die potenziell betroffenen Projekte leisteten wichtige Arbeit, sei es mit sexuell mißbrauchten Kindern, in der Suchtarbeit oder in der Altenbetreuung. „Die Umsetzung der Kürzungspläne würde für die soziale Infrastruktur in den östlichen Stadtteilen das Aus bedeuten“, so Klotz.
Klotz kritisierte auch die schon im Juli vollzogene Verschärfung der Zugangsvoraussetzung für ABM, durch die Sozialhilfeempfänger, Jugendliche ohne Berufsabschluß und Frauen, deren Ehepartner noch Arbeit haben, praktisch von ABM ausgeschlossen würden.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohling wandte sich dagegen, den „Zweiten Arbeitsmarkt“ nur als Krücke zu betrachten. Angesichts der Tatsache, daß der reguläre Arbeitsmarkt auf absehbare Zeit nicht genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stelle, sei dieser Sektor notwendig, in dem gesellschaftlich nützliche Arbeit geleistet werde.
Viele über ABM organisierte Projekte – etwa im Bereich Stadterneuerung – hätten zudem über Aufträge an die Privatwirtschaft einen „Multiplikatoreneffekt“. Soll heißen: ABM-Projekte tragen zur Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen in der Privatwirschaft bei. Christian Meseth
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