piwik no script img

Tadelloser Kandidat gefordert

■ Nach Eklat um den PDS-Abgeordneten Over schließt die SPD eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes nicht aus. CDU fordert von PDS freiwilligen Verzicht

Nach dem Verzicht des PDS- Abgeordneten Freke Over auf einen Sitz im Verfassungsschutzausschuß warten SPD und CDU gespannt, wen die PDS als Nachfolger bestimmen wird. Der Kandidat müsse eine „tadellose Vergangenheit“ haben, sagte SPD-Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller. Eine ehemalige Stasi-Mitarbeit oder kriminelle Aktivitäten seien für die Sozialdemokraten nicht akzeptabel. „Aber ich unterstelle, die PDS wird sich vernünftig verhalten.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Dieter Hapel, appellierte an die PDS, künftig „aus Gründen der political correctness auf eine Mitgliedschaft im Verfassungsschutzausschuß zu verzichten“. Die Welt interpretierte dies gestern so, die CDU wolle die PDS generell aus dem Verfassungsschutzausschuß fernhalten. Hapel dementierte dies gegenüber der taz: „Das wäre verfassungswidrig.“ Er hoffe aber, daß sich die PDS „freiwillig“ aus dem Ausschuß zurückziehe, weil „Teile“ der PDS selbst vom Verfassungsschutz beobachtet würden. „Dann kontrollieren die Kontrollierten die Kontrolleure. Das ist doch absurd.“

Die PDS will über die Nachfolge Overs im Verfassungsschutzausschuß auf einer am 13. September stattfindenden Klausurtagung befinden. Hapels Reaktion bestätige, daß Freke Over nur ein Vorwand für die CDU sei, die PDS aus dem Ausschuß fernzuhalten, sagte PDS-Fraktionssprecher Günter Kolodziej. In Wirklichkeit gehe es der CDU darum, den Verfassungsschutz ohne Kontrolle arbeiten zu lassen. Die Mitgliedschaft des ehemaligen Hausbesetzers Over im Verfassungsschutzausschuß hatte die CDU wie berichtet zum Anlaß genommen, ein verfassungsrechtliches Problem auf die Tagesordnung zu bringen. Nach der Berliner Verfassung müssen die Mitglieder sämtlicher Ausschüsse eigentlich vom Parlament gewählt werden. In der Praxis werden sie jedoch von den Fraktionen bestimmt. Das will die CDU nun ändern. „Wir arbeiten an Lösungen“, deutete Hapel an. Um zu verhindern, daß Leute wie Over Mitglied im Verfassungsschutzausschuß würden, müsse entweder die Praxis geändert werden oder das Verfassungsschutzgesetz.

Die SPD hofft laut Stadtmüller auf eine einvernehmliche Lösung, wird sich notfalls aber „nicht“ gegen eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes sperren. An den Verfassungsschutzausschuß müßten strenge Kriterien angelegt werden. Eine Rückkehr zur Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), die den Verfassungsschutz bis 1989 unter Ausschluß der Öffentlichkeit kontrollierte, lehne die SPD jedoch ab.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, erklärte, man werde gegen die Änderung des Verfassungsschutzgesetzes stimmen. Eine Abkehr von dem jetzigen Verfahren würde bedeuten, daß die Regierungsmehrheit und der Verfassungsschutz bestimmten, welche Minderheit sie kontrolliere: „Das wäre ein Stück aus dem Tollhaus.“ Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen