: Jeder Takt eine Revolution
■ Heute abend im Rathaus: das Quatuor Mosaiques Kammermusik vom Feinsten / Werke von Haydn und Mendelssohn-Bartholdy
Wenn man an zwei Händen nicht unbedingt die berühmtesten, aber die besten Streichquartette aufzählen müßte, gehört das „Quatuor Mosaiques“ dazu: Kammermusik vom Feinsten erwartet die BremerInnen heute abend in der Oberen Halle des alten Rathauses. 1985 haben die vier aus Nicolaus Harnoncourts Wiener Orchester „Concentus Musicus“ angefangen, sich unter den Bedingungen der historischen Aufführungspraxis das Streichquartettrepertoire zu erarbeiten. Das heißt, die Artikulation ist sozusagen sprechend, die Dynamik feingliedrig und die Rhythmik häufig tänzerisch. Darüberhinaus haben ihre außerordentlich wertvollen Instrumente aus dem 17. und 18. Jahrhundert den warmen, aber gemein differenzierten Klang der Darmsaiten. Mit ihrer ebenso genauen wie aufregenden Spielweise haben sie für ihre CD-Einspielungen nahezu alle verfügbaren Preise eingeheimst.
Und das durchaus zu Recht: Denn darüberhinaus erfüllen Erich Hörbarth und Andrea Bischoff, Violinen, Anita Mitterer, Bratsche und Christophe Coin, Cello, die grundsätzlichen Forderungen jeden Streichquartettspieles, und das sind perfekte Homogenität des Gesamtklanges und gleichzeitige Durchformung jeder individuellen Stimme. Auch der gewählte Name „Mosaiques“ drückt diesen Ansatz aus: „Die Idee war diese Parallele zwischen einem Mosaik und einem musikalischen Text, wo die verschiedenen Details, die verschiedenen Elemente am Schluß ein Ganzes geben“. So sehr diese Aussage von Christophe Coin eine Binsenweisheit für qualitätvolle Kammermusik ist, so sehr ist am Spiel der vier zu erleben, wie diese Spielwiese immer weiter perfektioniert werden kann, ohne an Spontaneität und Kraft zu verlieren.
Was für Mozart die Oper, für Beethoven und Schumann das Klavier, für Schubert das Lied, war für Joseph Haydn das Streichquartett, mit jedem Takt hat er Revolutionäres geleistet, so daß Friedrich Nietzsche in seinen musikalischen Aphorismen bemerken konnte: „Er macht lauter Musik, die keine Vergangenheit hat!“ Das Quatuor Mosaiques spielt das Quartett F-Dur, op. 77, 1799 an der Schwelle zum 19. Jahrhundert entstanden: es zählt zu den vollendetsten und reifsten Schöpfungen des Komponisten. Dem Spätwerk steht ein Jugendwerk gegenüber: das stürmische Es-Dur-Quartett des gerade dem Wunderkindstatus entronnenen zwanzigjährigen Felix Mendelssohn Bartholdy. usl
Heute abend in der Oberen Rathaushalle um 20 Uhr.
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