: Offene Kommode
■ Der Bremer Wasserturm ist eine von 20 Attraktionen, die am Sonntag, dem „Tag des offenen Denkmals“, zugänglich sind
Er erhebt sich 50 Meter hoch über die Weser, faßt 1,7 Millionen Liter Wasser, die jeden Tag ausgetauscht werden und wird doch nur dann wirklich gebraucht, wenn, wie vor einigen Jahren, auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke die Wasserleitung platzt: der Bremer Wasserturm, besser bekannt als die „umgekippte Kommode“.
Wie sieht das Bremer Wahrzeichen, entworfen 1873 vom Gründerzeit-Architekten Johann Georg Poppe nach dem Vorbild französischer Schlösser, eigentlich von innen aus? Das hat sich wohl jeder Bremer schon mal gefragt. Und genau das läßt sich am kommenden Sonntag herausfinden, dem „Tag des offenen Denkmals“, den der Verein für Niedersächsisches Volkstum und der Bremer Heimatbund 1996 schon zum vierten Mal veranstalten.
Zu jeder vollen Stunde und in Gruppen bis zu dreißig können die BremerInnen die 200 Stufen der Wendeltreppe des Nordturms hinaufklettern. Zur Zeit seiner Erbauung galt der Wasserturm als technisches Meisterwerk – allein 80.000 gußeiserne Nieten halten sein Gerüst zusammen; das entspricht etwa einem Zehntel der Menge, die für den Bau des Eiffelturms benötigt wurde. Die gewaltigen Tanks – ihr Wasse könnte ohne Strom, nur durch geodätischen Druck heute noch einen Teil der Bremer Haushalte versorgen – ummantelte Poppe mit einer historisierenden Fassade mit unbenutzbaren Balkonen, Schießscharten und Gießlöchern für heißes Pech – wie es dem Geschmack der Zeit entsprach.
Der alte Wasserturm ist wohl eine der größten, aber nicht die einzige Attraktion am kommenden Sonntag. Auf dem Programm der „bewußtseins- und identitätsfördernden Maßnahme“, wie der Tag des offenen Denkmals im Vokabular von Bringfriede Kahrs heißt, steht neben etlichen Kirchen und Museen in Bremen und Bremerhaven auch das Haus der Bürgerschaft. Der 1966 von Wassili Luckhardt geplante Stahlbeton-Skelettbau, für viele konservative Bremer ein „Schandfleck der Innenstadt“, feiert am kommenden Montag seinen dreißigsten Geburtstag.
Der Renner unter den offenen Denkmälern allerdings wird wahrscheinlich, wie schon im letzten Jahr, das der Bürgerschaft gegenüberliegende Rathaus sein. Zum leisen Bedauern von Landesdenkmalpfleger Hoffmann, der ins Schwitzen gerät, wenn er daran denkt, wie schädlich das Schwitzwasser der vielen Besucher für die alten Wände ist. Anja Robert
Öffnungszeiten:
Wasserwerk 11- 15 Uhr, Bürgerschaft 11-16 Uhr, Rathaus 11-16 Uhr, Gerichtsgebäude 11-16 Uhr, Haus des Reichs, Rudolf-Hil-ferding-Platz 1, 11-16 Uhr, Dommuseum, Marktplatz 12-16 Uhr, Schulschiff Deutschland am Liegeplatz in Vegesack 15-17 Uhr, Grohner Kirche, Grohner Bergstraße 1, 15-17 Uhr.
Haus Blomendal 11-12.30, 15-17.00 Uhr, Altes Kraftwerk Bremerhaven, Wiegandstraße 27, Schiffdorfer Stauschleuse, An der Geeste, Schiffdorf 10-18 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen