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Der Kanzler muß weiter auf Erwachsene setzen

■ CDU, CSU und FDP halten Herabsenkung des Wahlalters für eine absurde Idee

„Das Ganze ist doch nur ein PR- Gag der SPD“, meint ein Sprecher der CSU-Parteizentrale in München. Daß Jugendliche schon mit 16 wählen dürfen, ist nicht nur für Bayerns Christsoziale indiskutabel. CDU und FDP sind derselben Ansicht. Immerhin, so erklärt CDU-Generalsekretär Peter Hintze, handele es sich beim Wahlrecht um „ein klassisches Erwachsenenrecht“, das beispielsweise mit der Wehrpflicht korrespondiere. Für ein anderes Wahlalter, so Hintze, gäbe es daher „keinen plausiblen Grund“. Sein Tip: „Wer sich schon vor dem 18. Lebensjahr aktiv politisch beteiligen will, kann dies in der Jungen Union tun.“

„Volljährigkeit und Wahlrecht gehören zusammen“, lautet auch die Devise von FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle. Und selbst beim Jungvolk der Regierungsparteien stößt das Wahlalter 16 auf wenig Interesse. „Jugendliche sind einfach überfordert, wenn es um politische Entscheidungen geht“, meint etwa Christine Loerke von der Jungen Union.

Anders die Opposition: PDS, Grüne und SPD setzen sich für das neue Wahlalter ein. Schon 1993 verabschiedeten die Sozialdemokraten auf ihrem Bundesparteitag einen Antrag, mit dem die Bundestagsfraktion aufgefordert wird, eine entsprechende Initiative zu starten. Jugendlichen, so hieß es damals, solle ab dem 16. Lebensjahr „ein aktives Wahlrecht zu allen parlamentarischen Wahlen“ – also auch der Bundestagswahl – eingeräumt werden. Allzuviel Resonanz fand dieser Beschluß bisher nicht.

Neben Niedersachsen setzt sich zur Zeit vor allem die rot-grüne Koalition in Schleswig-Holstein für ein Wahlrecht ab 16 ein. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde Mitte August in den Landtag eingebracht. Bei der Kommunalwahl im März 1998 werden auch dort 16jährige wählen dürfen. Auch im rot-grünen Sachsen-Anhalt wird ein entsprechendes Gesetz vorbereitet. In Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland diskutiert man noch; der rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber (SPD) will die Niedersachsen-Wahl abwarten.

Fraglich bleibt nämlich, ob sich Jugendliche fürs Wählen überhaupt begeistern können. Nach einer Inra-Umfrage im Auftrag des Focus sprachen sich nur 48 Prozent der Jugendlichen für ein Kommunalwahlrecht ab 16 aus, für eine Beteiligung an den Bundestagswahlen votierten sogar nur 32 Prozent. „Untersuchungen zeigen, daß die 16- bis 18jährigen ein recht geringes Interesse an Politik haben“, sagt auch Helmut Willems vom Deutschen Jugendinstitut in München. „Außerdem halten sie sich in politischen Fragen häufig nicht für kompetent.“ Mit einer reinen Absenkung des Wahlalters sei es daher nicht getan. Parallel dazu müsse auch die politische Bildungsarbeit an den Schulen intensiviert werden. Kathrin Lohmann, Berlin

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