: Caput mortuum
■ betr.: „Ein öffentliches Morallehr stück“ von Rüdiger Lautmann, taz vom 5.9. 96
[...] Der sich selbst als ein „von Natur aus ahnungsloser Mann“ bezeichnende Professor beklagt in seinem Artikel, daß den wenigsten Kindern durch „erregte Debatten“ um Sexualverbrechen geholfen würde. Recht hat er!
Und er weiß, wovon er spricht, denn in seiner erregten Schrift über „Die Lust am Kind“ erhebt er die sexuelle Mißhandlung von Kindern durch erwachsene Männer in den Rang einer „Daseinsweise“ und bezeichnet den „beschwerlichen Weg“ des Coming-outs seiner „Pädos“ als (...fast hätte ich gesagt der) Aufstieg. Das Coming-out der Kindesmißhandler ist laut Lautmann ein „Prozeß des Erkennens und Bewußtwerdens, der durch dichte Filter des Zweifels und einen Wald von Verbotstafeln hindurchmuß.“
In der taz beklagt er dann, daß die Illegalisierung der Kinderprostitution „die bekannten Auswirkungen haben“ wird. Damit, so Lautmann, würde die „Dienstleistung“ teurer. Wer das nicht versteht, muß folgendes wissen:
Für Lautmann und andere entfernt Spekulierende haben Mißhandlungen und Vergewaltigungen tatsächlich etwas mit Sexualität zu tun (die „Dienstleistung“ bezieht sich auf die Mißhandlungstat!). Es kommt ihnen nicht in den Sinn, daß der Intimbereich eines Menschen sich deshalb so gut für die Ausübung von Gewalt eignet, weil der Täter oder die Täterin genau weiß, daß er/sie hier einen Menschen am tiefsten treffen, verletzen und teilweise sogar vernichten kann. Mit anderen Worten, daß er/sie sicher sein kann, daß bewußt und vorsätzlich angestrebte Ziel nicht zu verfehlen.
Wer „an der Front“ arbeitet – ob nun mit Tätern oder Opfern –, weiß das. Die Opfer „wissen“ es ohnehin. Wer im Elfenbeinturm der westlichen Wissenschaftsgemeinde hockt oder sein/ihr Geld mit dem Versprühen von Tinte über Zeitungsseiten (Spezialgebiet „sex and crime“) verdient, weiß das nicht; darf aber herumtönen und das, was Kindern angetan wird, als „Schreckensgemälde omnipräsenter Gefahr“ bezeichnen.
Diese „neue Moral“ ist alt. Es handelt sich sehr banal um die Philosophie des Caput mortuum, die immer von Menschen vertreten wurde und wird, die massivst depressiv und aggressionsgehemmt sind und die Welt um sich herum als Jammertal wahrnehmen. Ein Jammertal, in dem sie ihre eigenen freundlichen Geschichten verbreiten wollen und auch müssen. „Die Welt ist schlecht, legalisieren wir sie!“ Das sind Geschichten, die auf Zeitungsseiten wie giftige Blasen herumblubbern und irgendwann lautlos zerplatzen. Das ist dann vermutlich ein wenig tragisch für die Betroffenen. Doch was soll's: Caput mortuum.
Weniger „tragisch“ ist die Behauptung Lautmanns, daß die Illegalisierung (von Kindesmißhandlungen) im „Sinne des Kinderschutzes“ liege, da „der Aufwand für die Geheimhaltung“ Arbeitsplätze schaffe. Was der Professor samt seinem sicheren Arbeitsplatz jedoch geheimhält, ist seine private Motivation; also die spannende Frage, weshalb er massivste Menschenrechtsverletzungen an Kindern als „Sexualität“ (die leider Gottes eben noch verboten sei ...) oder als „sexuelle Dienstleistung“ – ja, sogar als „Entgleisung“ definiert haben will.
Und apropos Arbeitsplätze: Da hat Lautmann einfach wieder recht, denn der pädo„phile“ Borneman hätte sich über die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vom August 1996 sicher gefreut. Monika Gerstendörfer,
Dipl.-Psych., Metzingen
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