Politik mit „gespaltener Zunge“

■ In Hamburg für die Förderung der Windenergie, in Mecklenburg dagegen: Die Hamburgischen Electricitätswerke geben sich flexibel Von Marco Carini

„Ein Grund zur Freude“ war es für Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt, und die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) strotzten vor Eigenlob: Die „Vorreiterrolle bei der Markteinführung regenerativer Energien“, frohlockten die Stromversorger, habe man nunmehr „unterstrichen“. Anlaß der Jubelarie: Der Energiekonzern hatte sich verpflichtet, den Investoren von Windkraftanlagen, die ins HEW-Netz einspeisen, weiterhin 10 Pfennig pro Kilowattstunde zusätzlich zur gesetzlichen Einspeisevergütung von 17,2 Pfennigen zu zahlen.

Die Imagepolitur kommt den Stromversorger billig. Da in der Metropole Hamburg nur vereinzelt Windrotoren aus dem Boden schießen, läßt sich der „Windgroschen“ bequem aus der Portokasse zahlen. Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt: Während sich die HEW in Hamburg als Windkraftförderer feiern läßt, ist sie bundesweit unter den Windbremsern. Denn die Vereinigung Deutscher Electricitätswerke (VDEW), der auch die HEW angehören, hat gegen das Stromeinspeisungsgesetz Klage beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Statt 17,2 Pfennigen wollen die Stromversorger den Windanlagen-Betreibern nur noch 7 Pfennige pro eingespeister Kilowattstunde zahlen. Kommt die Klage durch, wäre es mit dem bundesdeutschen Wind-energieboom auf der Stelle vorbei. Zwar bestimmen die HEW als vergleichsweise kleiner Energiekonzern nicht die VDEW-Verbandspolitik, doch Proteste des Hamburger Stromversorgers gegen die Brems-Klage sind nicht zu vernehmen. „Unser Ziel, regenerative Energien zu fördern, und die verfassungsrechtliche Prüfung der Einspeisevergütung stehen in keinem Widerspruch zueinander“, versucht HEW-Sprecher Johannes Altmeppen die Quadratur des Kreises.

Ein noch klareres Bild der HEW-Energiepreis-Politik aber vermittelt ein Blick über die Landesgrenze nach Mecklenburg-Vorpommern. Dort betätigt sich die Westmecklenburgische Energieversorgungs AG (Wemag) mit äußerst fragwürdigen Methoden als Windkraft-Boykotteur. So prognostizierte sie der Hausbank eines künftigen Windkraftanlagen-Betreibers, es werde wohl Probleme bei der Finanzierung der Anlage ihres Kunden geben.

Denn die Wemag bezahle die 17,2 Pfennig Einspeisevergütung, mit der der Kredit abgezahlt werden sollte, aufgrund der Verfassungsgerichtsklage nur noch „unter Vorbehalt“. Zukünftig wolle man auf 7 Förder-Pfennige zurückgehen und zuviel gezahlte Beträge zurückfordern. Clou der Geschichte: Die Wemag gehört mehrheitlich den HEW. Mit 51 Anteilsprozenten bestimmt der „windliebende“ Hamburger Stromkonzern die Firmenpolitik des Ost-Unternehmens.

Auch der Aufsichtsratschef der Wemag, Hans-Jürgen Reh, ist in Hamburg kein Unbekannter. Als Mitglied des HEW-Vorstands ist er im Hamburger Firmenimperium ausgerechnet für Stromsparmaßnahmen und den Ausbau regenerativer Energieerzeugung zuständig.

„Das Schreiben der Wemag hat zu erheblichen Schwierigkeiten des Windanlagen-Betreibers bei den Banken geführt, die ihre Kreditzusagen nicht einhalten wollen“, beklagt der grüne Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, dem der Fall zugetragen wurde. Zudem habe die Wemag bei ihrem Einschüchterungsmanöver schlicht gelogen. Scheer: „Aufgrund des rechtsstaatlichen Rückwirkungsgebotes ist die von der Wemag angedrohte Rückforderung bereits gezahlter Beträge undenkbar“.

Windförderung hier, Windboykott dort: Für den GAL-Energieexperten Alexander Porschke treibt der Hamburger Stromkonzern in seinem Einflußbereich eine „Politik mit gespaltener Zunge“. Der HEW-Sprecher Johannes Altmeppen hingegen gibt sich zu dieser Frage gewohnt beredt: „Kein Kommentar“.