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Polizeiskandal: Eklat im Ausschuß

■ GAL verläßt den PUA-Polizei / Heftige Vorwürfe gegen den Leiter des Arbeitsstabes / Innensenator Wrocklage sagte dennoch aus Von Kai von Appen

Heftiger Konflikt im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß Polizei (PUA): Die GAL ist gestern abend nach einer mehrstündigen Obleute-Sitzung aus dem Untersuchungsausschuß ausgezogen. Ihr Arbeitsstab-Mitglied Wolfgang Erhardt soll „seine Tätigkeit zum Ende des Monats einstellen“.

Hintergrund: Der Leiter des Arbeitsstabes, Hansjürgen Koschnitzke, hatte sich in der vergangenen Woche in einer Diskussion im Arbeitsstab über eine 33 Jahre zurückliegende Jugendstrafe des GAL-Referenten Peter Mecklenburg nicht für den GALier eingesetzt. Das PUA-Mitglied Manfred Mahr, „kritischer Polizist“ und GAL-Bürgerschaftsabgeordneter, erklärte: „Es wäre Koschnitzkes Aufgabe gewesen, diese Diskussion über eine Strafe, die Mecklenburg heute aus rechtlichen Gründen nicht mehr vorgeworfen werden darf, konsequent zurückzuweisen.“

Statt dessen habe Koschnitzke Erhardt dazu genötigt, Interna über eine Verfassungsbeschwerde preiszugeben, mit der die GAL die Mitgliedschaft Mecklenburgs im Arbeitsstab erreichen will (taz berichtete). Sonst, so soll Erhardt bedeutet worden sein, würde man ihn auch „von Informationen von CDU und SPD abschneiden“. Manfred Mahr gestern abend: „Wir fordern die sofortige Ablösung Koschnitzkes. Wir werden es nicht zulassen, daß die persönlichen Rechte unserer Mitarbeiter mißachtet und ihre Arbeitsmöglichkeiten gezielt zerstört werden.“ Die Obleute-Konferenz lehnte gestern unmittelbar vor der für 17 Uhr terminierten PUA-Sitzung den GAL-Antrag ab.

Mit einstündiger Verspätung begann am Abend die Vernehmung von SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage zu den Hintergründen des Rücktritts seines Vorgängers Werner Hackmann. Viel Neues hatte Wrocklage dem PUA jedoch nicht zu berichten. Er habe unmittelbar nach Amtsantritt erstmals von dem sogenannten Bienert-Vermerk gehört, in dem über mögliche rassistisch motivierte Straftaten von Polizeibeamten – bis hin zu Scheinhinrichtungen – am Revier in der Kirchenallee berichtet wurde. Es habe sich aber schnell herausgestellt, so Wrocklage, daß der Bienert-Vermerk keinen „konkreten Tatverdacht“ zuließe.

„Entsetzt“ sei er darüber gewesen, daß der ehemalige Innensenator Hackmann über den Bienert-Vermerk und über rassistische Tendenzen unter Hamburgs Polizisten von der Polizeiführung nicht „problemadäquat informiert worden war“. Er habe, so Wrocklage gestern vor dem PUA, schnell erkannt, daß man mit Suspendierungen und Disziplinarmaßnahmen „nicht so effektiv ist wie mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen“. Er habe sich daher mit seinem Justizkollegen Klaus Hardrath mehrfach getroffen, um zu beraten, wie die „Mauer des Schweigens zu durchbrechen“ sei. Wrocklage: „Es war anfangs nicht möglich, die gravierenden Vorwürfe der Scheinhinrichtungen zu konkretisieren.“ Ihm sei klar gewesen, daß diese Vorwürfe nur die Staatsanwaltschaft aufklären könne.

Wrocklage vertrat in der Gesamtschau des Jahres 1994 allerdings die Auffassung, daß der Polizeiführung schon konkrete Hinweise über Mißhandlungen am Polizeirevier vorgelegen haben, die ein Eingreifen gerechtfertigt hätten. Derartige Versäumnisse möchte Wrocklage in Zukunft durch die Reorganisation der inneren Führung verhindern.

Nach taz-Redaktionsschluß stand noch die Befragung von Ex-Innensenator Hackmann und seines Ex-Staatsrates Dirk Reimers auf der Tagesordnung des Ausschusses.

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