: Abwasserfrei – hochgestapelt?
■ Der Bremer Professor Räbiger denkt am liebsten im Kreis und hält das für richtig
Das Ziel ist hoch gesteckt: Industrieproduktion ohne umweltschädliche Abwässer. Wenn es nach Norbert Räbiger, Professor der Umweltverfahrenstechnik an der Uni Bremen, geht, muß dafür vor allem der Weg des Wassers umgeleitet werden.
Bisher kommt das Frischwasser in die Betriebe, wird dort in der Produktion eingesetzt und dabei oft verschmutzt. Dann wird es in Kläranlagen geleitet und mehr oder weniger sauber anschließend in den nächstbesten Fluß. Der schwäbische Tüftler hält es für möglich, daß „schon bald gar keine Abwässer mehr in die Umwelt gelangen müssen. Dazu müssen die innerbetrieblichen Wasserkreisläufe geschlossen werden.“
Einen ersten Anlauf hat der Professor der Umweltverfahrenstechnik nun gemacht: Nach einem Gutachten seines Instituts wird der Bremer Gabelstapler-Betrieb Willenbrock einen geschlossenen Wasserkreislauf einführen. Beim Waschen und Warten der verliehenen Stapler waren immer öfter überhöhte Schwermetall- und Säurewerte im Abwasser aufgetreten. Nun soll das Wasser in verschiedenen Stufen entsalzt und biologisch und chemisch gereinigt werden, sodaß es anschließend wieder benutzt werden kann. Lediglich nach dem Reinigen der Sandfilter wird Trockenschlamm als Sondermüll anfallen. Resultat: Weniger Frischwasserverbrauch, keine Abwässer, kein Sondermüll im Wasser. Im nächsten Jahr soll mit dem Bau der 500.000 Mark teuren Anlage begonnen werden. Hans Schwoll, Technischer Leiter des Unternehmens, erhofft sich dazu noch Zuschüsse vom Senat: „Natürlich ist das Kreislauf-System teuer. Aber wir brauchen keine Kläranlagen und belasten keine Gewässer mehr. Langfristig rechnet sich das.“
Das Prinzip ist einfach: Der Kreislauf muß geschlossen werden, damit keine Emissionen in die Umwelt gelangen. „Technisch ist das längst möglich. In den USA oder Großbritannien ist der produktionsintegrierte Umweltschutz schon viel weiter“, sagt Räbiger. Gerade hat das Institut mit indischen Papierfabrikanten ein geschlossenes Verfahren entwickelt. Auch dort bleibt das Wasser im Betrieb. Techniken zur innerbetrieblichen Rückhaltung von Tensiden, Schwermetallen und Chlorwasserstoffen wurden auf einem Colloquium im Bremer Congress Center Anfang September vorgestellt. Die Industrie in Deutschland forsche jedoch immer nur soweit, wie es die Gesetze forderten, behauptet der Bremer Forscher. Jeder weitere Schritt Richtung Umweltschutz verursache zusätzliche Kosten: „Das Management blockt.“
Der jährlich stattfindende Kongreß soll diese Blockade knacken. „Wenn der Umweltschutz Geld bringt, investieren die Betriebe auch“, glaubt der Bremer Forscher. Unternehmen, die keine Flüsse mehr verschmutzen, können mit ihrem Umweltschutz werben. Sie sparen Kosten für Wasser, Abwasser und Energie und können Rohstoffe, die bisher mit dem Wasser verlorengingen, wiederverwerten. Mit einer betriebsumfassenden Analyse, dem Öko-Audit, werden Schwachstellen der Produktion aufgedeckt. „Viele Betriebe stellen dabei fest, daß sie mit dem Umweltschutz Geld verdienen können“, sagt Räbiger, „die meisten verschlafen diese Entwicklung jedoch.“
Darum wollen die OrganisatorInnen des Treffens, zu dem jedes Jahr 150 WissenschaftlerInnen und WirtschaftsvertreterInnen aus ganz Deutschland, Italien, England und Norwegen anreisen, das Colloquium schon bald durch eine Messe ergänzen. Nur so kann sich für den Professor ein weiterer Kreis schließen: „Die Lücke zwischen technischem Wissen und industrieller Anwendung“. sg
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