: Problemzone Diplomatenviertel
■ Im Schaukasten vor dem „Büro für den Schutz der Interessen der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik“ zeigt sich das Land von seiner besten Seite
Ullrich-Verbrauchermärkte sind die zuverlässigsten Indikatoren für die Problemzonen der Stadt. Diese Regel bestätigt sich auch am U-Bahnhof Mohrenstraße. Ein paar Plattenbauten trotzen dem Wind, preußische Verwaltungsburgen stehen stumm da. Wo sind die Beamten? Erst abends belebt sich die Gegend für kurze Zeit. Es sind taffe Angestellte, die vom Büro zu Jopp- Frauenfitneß eilen, wo sie ihre Problemzonen loswerden wollen.
Dabei steht man hier mitten in einem kleinen Diplomatenviertel. Die Tschechische Republik residiert in einem futuristischen Flughafengebäude, Bulgariens Sitz ist in einer braun verspiegelten Box mit gepflegtem Gras davor und die Vertretung der Volksrepublik Korea, Jopps Nachbar, ist in einem Lagerhaus untergebracht. Die Eingänge sind in Lkw-Ladehöhe.
So schäbig das Gebäude, so sehenswert ist der am Zaun befestigte Schaukasten. Im April waren dort drei Fotos aus dem militärischen Leben Nordkoreas zu sehen: „Genosse Kim Jong Il inspiziert eine Einheit der KVA“, „Genosse Kim Jong Il besucht die revolutionären Stätten einer KVA-Einheit“ und „Genosse Kim Jong Il inspiziert KVA-Einheit auf dem Berg Osong“. Zur Zeit gibt die Vitrine einen Einblick in das nordkoreanische Museum der Völkerfreundschaft. Es handelt sich um einen Pagodenbau (Fläche: 28.000 Quadratmeter) in einem Birkenwald im Gebirge Myohyang. Ausgestellt sind Geschenke, die Kim Il Sung und Kim Jong Il von Parteiführern und Staatsoberhäuptern aus aller Welt erhalten haben. In die einzelnen Abteilungen (nach Kontinenten geordnet und um eine Abteilung mit Geschenken von internationalen Organisationen ergänzt) gelangt man durch einen „Überblicksraum“.
Einige Bilder dokumentieren die Ausstellungssituation: Nüchterne, quadratische Deckenleuchten tauchen die Räume in gleichmäßiges Licht, das vom blauen Teppichboden reflektiert wird und sich in den Glasvitrinen spiegelt. Die drei Frauen, die auf den Fotos die Objekte besichtigen, tragen zur Schonung des Bodens weiße Überschuhe. Im Hintergrund sehen wir in der Amerika-Abteilung abstrakte Holzschnitzereien, einen auf einen steinernen Frauenkopf gerichteten Revolver und einen hölzernen Liegestuhl. Afrika ist vor allem mit reich verzierten goldenen Tellern vertreten sowie mit Hörnern und Parteiwimpeln. Aus Europa stammen ein Keyboard, ein Globus und ein Säbel.
Zu den Highlights des Museums: Die Bandbreite reicht von der schlichten bronzenen Blumenvase (mit Wandbehang) vom ägyptischen Präsidenten Mubarak bis zu mehreren Teegeschirren, die, darauf wird eigens hingewiesen, komplett sind. Ein kupfernes, überreicht von Sultan Kustawalla (Gesellschaft für Pakistanisch-Koreanische Freundschaft), und zwei silberne von Narodom Sihanouk, Staatskönig des Königreiches Kampuchea beziehungsweise vom indonesischen Präsidenten Suharto. Auch das Eßbesteck der libanesischen Parlamentsdelegation ist komplett. Wie mit Infrarotfilm aufgenommen wirkt das filigrane, aus Elfenbein geschnitzte Haus in Manydyongdae, das das ZK der KP Chinas mitbrachte – eine hübsche Bonsai-Landschaft vor rotem Hintergrund. Nicht alle Staatsgäste gaben sich soviel Mühe.
Die Hauptverwaltung Produktion von traditionellen Arzneimitteln beim Büro für Gesundheitswesen der Russischen Föderation schenkte Kim Il Sung bloß eine Vase mit seinem Porträt. Einen Volltreffer landete hingegen Fidel Castro mit dem Diplomatenkoffer aus Krokodilleder (mit Zahlenschloß). Liebling der Kinder ist das ausgestopfte, männchenmachende Krokodil, das, vor einem Aschenbecher stehend, ein Tablett mit Holzkrügen in den Krallen hält – ein Geschenk der Nicaraguaners Thomas Borge Martines.
Welche Ausstellungen sind für die Zukunft geplant? Es war unmöglich, hierüber Auskunft zu erhalten. Herr Li, zuständig für die Presse, sei für einige Tage in ein Dorf gefahren, hieß es. Die für den Kasten Verantwortliche sei gerade mit den Kindern spazieren, ihr Name geheim. Alle weiteren Fragen blockt die Pförtnerin mit einem atemlosen „Nein, nein, das ist nicht möglich“ ab, worauf sie, plötzlich unsicher geworden, leise lacht. Sie legt aber Wert auf die Feststellung, daß alle gezeigten Fotos aufbewahrt würden. Jörg Häntzschel
Glinkastraße 5, Mitte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen