piwik no script img

Ich denke nicht daran, mich nicht zu wehren!

■ betr.: „Aggressiv sein muß gelernt sein“, „Stark ohne Muskel- pakete“, taz vom 12.9. 96

Na toll, wir haben es ja eh schon immer gewußt: Frauen, die Gewalt und sexuelle Übergriffe von Männern erleben, sind selbst schuld. Sie haben provoziert, sie haben „aufbegehrt“ – und das führt natürlich zu „Zusammenstößen“...

Was lernen wir daraus? Offensiv auftretende Frauen müssen mit Anmache und Angriffen rechnen? Während harmlos wirkende Frauen in Ruhe gelassen werden? Ach ja??

Zum Glück ist das „Aufbegehren“ nur eine kurze Phase. A ha. Und danach nimmt frau die alltäglichen Belästigungen wohl wieder wie selbstverständlich hin und spart sich ihre Verteidigungshaltung für Vergewaltigungsversuche auf?

Verdammt noch mal, ich habe Besseres zu tun, als mich mit irgendwelchen Typen in der U-Bahn anzulegen und „Zusammenstöße“ zu provozieren. Daß ich sie trotzdem regelmäßig erlebe, ist nicht meine Schuld! Was ist das für eine Auffassung von Selbstverteidigung, die mir einreden will, ich solle meine Aggression brav verdrängen, solange ich es „nur“ mit den täglichen verbalen Übergriffen, Blicken, Gesten etc. zu tun habe? Ich denke gar nicht daran, mich nicht zu wehren! Gunda Franzen, Berlin

Ausnahmsweise habe ich mal einen realistischen Bericht über Kampfkünste, insbesondere Karate, lesen dürfen. Seit neun Jahren trainiere ich nun diesen wunderschönen Sport und habe es durch Disziplin, regelmäßiges Training und das sogenannte Überwinden des inneren Schweinehundes (ich lasse heute mal das Training ausfallen) bis zum 1. Dan (Schwarzer Gürtel) gebracht. Die Farbe des Gürtels sagt mir eigentlich nur, daß ich die nötige Geduld, Ausdauer und den Willen, es zu schaffen, für diesen langen schweren Weg aufgebracht habe. Dieser Sport hat mir viel auf meinem Lebensweg mitgegeben – Geduld, Abwarten, was kommt, und dann präzise, schnell und kontrolliert agieren. Selbst wenn ich auf meinem Pferd saß und es absolut nicht dorthin gehen wollte, wo ich hin wollte. Meine Ruhe und meine Sicherheit, den ausgesuchten Weg zu gehen, siegten immer. Rücksicht auf einen Schwächeren nehmen und auch daraus lernen, sich einzufühlen, beobachten, das alles heißt auch Karate trainieren. Nie sagen: „Das kann ich aber nicht“, denn wenn der Kopf schon nein sagt, kann der Körper die Leistung nicht bringen. [...]

Oberstes Ziel in der Kunst des Karate ist weder Sieg noch Niederlage, sondern die Vervollkommnung des Charakters des Kämpfers. Sofern dieses von Trainern und Schülern gleichermaßen beachtet wird, kann Karate eine Form der Auseinandersetzung mit sich selbst und der Umwelt sein, die mehr bietet und hilft, als man vielleicht glaubt. Gilda M. Bürger, Siegburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen