piwik no script img

Serbe verhilft Izetbegović zum Sieg

■ Kandidat der muslimischen Partei profitiert von Votum für serbische Opposition. Karadžić-Partei scheitert in Banja Luka

Sarajevo (taz) – Mit einem Hupkonzert antwortete die Bevölkerung von Sarajevo auf die Bekanntgabe der Resultate der Wahlen für den Präsidentschaftsrat in Bosnien-Herzegowina. Lediglich mit einem Vorsprung von rund 30.000 Stimmen konnte Alija Izetbegović den Sieg einfahren.

Bei der Analyse der Resultate offenbarte sich jedoch eine Überraschung. Denn Izetbegović, Kandidat der muslimischen Nationalpartei SDA, konnte nur durch die Unterstützung eines serbischen Oppositionspolitikers die meisten Stimmen erringen. Mladen Ivanic, der Kandidat der vereinigten oppositionellen Kräfte in der Republika Srpska, erhielt 305.803 Stimmen. Da Izetbegović mit 729.034 Stimmen nur knapp vor Momsilo Krajisnik mit 690.373 Stimmen liegt, hätte ein schwächerer Stimmenanteil für den serbischen Oppositionellen den Sieg für Momsilo Krajisnik bedeutet. Da Ivanic von dem serbischen Präsidenten Milošević unterstützt wurde, habe Milošević letztlich Izetbegović die Präsidentschaft ermöglicht, witzelten Wahlbeobachter in Sarajevo. Mladen Ivanic wurde von den wichtigsten Oppositionskräften in der Region Banja Luka unterstützt: dem Demokratisch Patriotischen Block des Bürgermeisters von Banja Luka, Predrag Radic, und der Union für Frieden und Fortschritt, in der auch die von Milosević unterstützten Sozialisten wirken.

Milosević hatte schon vor den Wahlen zu erkennen gegeben, daß die Karadžić-Partei SDS nicht mehr den Interessen der Serben in Bosnien-Herzegowina diene. Demgegenüber versuchte die SDS, Milošević als einen Verräter der serbischen Nation zu brandmarken. In der Großstadt Banja Luka hatte die SDS jedoch damit keinen durchschlagenden Erfolg. Der größte Teil der serbischen Bevölkerung hatte die von den Radikalen betriebene ethnische Säuberung nur mäßig unterstützt, ihr jedoch auch keinen nennenswerten Widerstand entgegengesetzt. Erst vor vier Wochen wurden wieder über 80 Muslime vertrieben. Nicht zuletzt die wirtschaftliche Unterstützung durch die internationalen Organisationen in Banja Luka hatte wohl manche Wähler vom Kurs der Oppositionsbündnisse in der Stadt überzeugt. Als Vorsitzender des Präsidiumsrates bleibt Izetbegović nun für zwei weitere Jahre an der Spitze des Staates. Robert Frowick, der für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa die Wahlen durchführte, erklärte gestern, nach der Verfassung werde es bis zu den Neuwahlen in zwei Jahren keine Rotation in der Präsidentschaft geben.

So gab es betroffene Gesichter bei den serbischen Journalisten. Die meisten Wähler in der Serbischen Republik waren offenbar davon ausgegangen, daß es zu einer Rotation bei dem Amt des Vorsitzenden des Präsidentschaftsrates kommen würde.

In der Muslimisch-Kroatischen Föderation hingegen konnte Haris Silajdžić nur 123.784 Stimmen auf sich vereinigen. Viele Wähler hatten in letzter Minute für Izetbegović gestimmt, um Krajisnik zu verhindern. Einen Achtungserfolg errang der bosnische Kroate Ivo Komsic, der immerhin 38.301 Stimmen erhielt. Bei den Kroaten aber siegte Kresimir Zubak (342.700 Stimmen) mit großem Vorsprung. Erich Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen