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Hat jemand Herbert Gogel gesehen?

■ Einmal im TV sein – Kay Mortensen hat es geschafft: Er war beim Fußball-Quiz „Superfan“

Ich bin nervös. Ab zum Casting. Nach einer Bewerbung bin ich zum Kandidaten-Test für das Fußball-Quiz „Paulaner Superfan“ des Deutschen Sport-Fernsehens (DSF) in ein Hamburger Hotel an der Außenalster eingeladen worden.

Meine ärgsten Befürchtungen bestätigen sich: Es haben sich fast 60 Bewerber eingefunden. Das schaffst du nie! Dann komme ich endlich zum Vier-Augen-Gespräch mit dem Caster. „Welcher Spieler wurde nach seinem Abgang bei Bayern mit Stuttgart Meister?“ und noch mehr Fragen zu Rückennummern wie „Wenn du Herzog mal Klinsmann rechnest, auf welche Zahl kommst du?“ Als ich auch noch Austragungsort und Datum des ersten Nachkriegs-Länderspiels nennen kann, ballt der Caster die Faust, und ich weiß, daß ich es geschafft habe.

Werde ich nun tatsächlich „Superfan“? Oder ende ich als „Superdepp“? Erst einmal bin ich Kandidat beim DSF. Nach sechs Stunden im ICE kommen wir an einem Juni-Tag in München an. Die drei anderen meiner Reisegruppe sind aus Hamburg, Buxtehude und Heide und bestreiten die Sendung nach mir. Die Fahrt geht über das riesige Filmgelände zu einer ehemaligen Ziegelei, wo jetzt eine Produktionsgesellschaft ihr Studio hat.

Ich bin nur leicht nervös, was soll mir denn bei der Aufzeichnung in München-Ismaning passieren? Ich kann nicht absteigen wie der Verein bei meinem Spezialgebiet „FC St. Pauli 1977/78“. St.-Pauli-Fan bin ich seit dem 2:0-Sieg im Lokalderby vor 19 Jahren, und so wähle ich diese Spielzeit als Thema.

Ein bißchen Puder aufgetragen, dann kommt die Einweisung. Vier Sendungen werden an einem Tag produziert, ich starte in Folge 94. Ich komme mir vor wie auf dem Bahnhof, der Hauch des Exklusiven verflüchtigt sich schnell. Der Studioboden ist lange nicht mehr gewischt worden. Die Kulissen sind aus Sperrholz, beim Inventar wird an allem gespart. Ich muß an Machiavelli denken: Die Mehrheit der Menschheit hat sich schon immer mit dem Schein genauso gut wie mit dem Sein abfinden lassen.

Dann kommt doch ein bißchen Nervosität auf. Der Aufzeichnungstermin rückt näher. Damit es mit rechten Dingen zugeht, gibt sich ein Schiedsrichter aus dem Hause kicker die Ehre. Ein komisches Gefühl, bin ich doch sonst der Unparteiische auf dem Platz. Aber wichtiger: Wo ist Moderator Herbert Gogel? Warum stellt er sich uns nicht kurz vor?

Ehe mir eine Antwort einfällt, werde ich schon zum Sendebeginn in den überdimensionalen Fußball geschickt. Ein knappes Gespräch mit Gogel. Es wirkt improvisiert, ist aber standardisiert. Alle Kandidaten mußten beim Casting eine Anekdote aufschreiben, die Gogel dann in der Sendung aufgreift.

Dann meine drei Eingangsfragen. „Welchem St.-Pauli-Spieler gelang in der Hinrunde 1977/78 ein Hattrick gegen Hertha BSC?“, „Wie viele Punkte hatte St. Pauli am Ende der Hinrunde?“ und schließlich „Welcher dänische Spieler stand damals im Aufgebot?“ Ein Glück, daß ich alles weiß: Franz Gerber, zwölf und Nils Tune-Hansen. Das Lernen hat sich ausgezahlt. Und der Herbert gogelt: „Ich habe das Gefühl, der Kay ist fit.“

Mit dem Punkte-Optimum von 600 gehe ich in die zweite Runde. Meine beiden Mit-Kandidaten schaffen nur je 400. In der Mittelrunde geht es an die Fragewand wie früher bei Thoelkes „Großem Preis“. Ich riskiere zu wenig, und mein saarländischer Mitstreiter überholt mich. Aber egal.

Gleich geht es in die Schlußrunde, doch vorher Werbepause. Zeit zum Nachdenken. Was werden die wohl fragen? Dann endlich: „Welcher Abwehrspieler von St. Pauli erzielte vier Saisontore?“, „Gegen welche drei Vereine verlor St. Pauli in dieser Saison mit dem gleichen Ergebnis? und „Welches war St. Paulis beste Plazierung?“

Oh je, das war's wohl. Dietmar Demuth ist klar, auch die drei Mannschaften. Aber wer kann alle 34 Plazierungen einer Saison im Kopf haben? Als es zu spät ist, fällt es mir ein. St. Pauli wurde zwar Letzter, schlug aber am ersten Spieltag Bremen 3:1 – also Vierter.

Das Scheinwerferlicht in der Glaskugel verhindert doch klare Gedanken. Sonst wäre ich so abgebrüht wie der eine Konkurrent, der bei einer Wissenslücke behauptet „... mehr stand nicht im kicker-Sonderheft“ und damit durchkommt. Da ist es nur ein schwacher Trost, daß ich alle Fragen meines siegreichen Nachbarn zum Thema „Valdas Ivanauskas“ weiß. So'n Ärger, nur Dritter.

Da ich auf „null Punkte“ gesetzt werde, bekomme ich als Trostpreis ein Viertellos der Süddeutschen Klassenlotterie. „Vielleicht winkt dir ja bald eine Milliarde“, schleimt Gogel. Als ich die entgangenen Preise höre, schwindet meine Trauer: Der Präsentkorb enthält zwei Flaschen Weißbier und ein Glas süßen Senf. Der Hauptpreis ist ein Zypern-Urlaub – aber nur außerhalb der Hauptsaison. Einzig der zweite Preis – ein Fernglas und Kamera – hätte etwas getaugt.

Vielleicht gibt es zum Abschluß ein frisch gezapftes „Paulaner“, wie es Gogel versprochen hatte: „Das Weißbier gönnen wir uns nach der Sendung.“ Iwo, statt dessen lauwarmer Apfelsaft. Auch nach der Sendung bleibt Gogel verschwunden. Keine anerkennenden Worte. Dafür hat er Zeit für Autogrammkarten, die keiner will. Übrigens: Ich bin jetzt auf „Franziskaner Weißbier“ umgestiegen.

Sollte sich das Programm nicht kurzfristig ändern, ist Kays Auftritt am kommenden Montag abends im DSF zu sehen.

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